Menetekel am Himmel: Von kopflosen Astronomen und weinenden Azteken

Vögel hören auf zu singen und Eichhörnchen verschwinden in ihre Kobel. Nachtaktive Tiere wie Fledermäuse hingegen werden munter. Wenn es bei einer totalen Sonnenfinsternis plötzlich stockduster wird und die Temperatur um drei bis fünf Grad sinkt, sind solche Verhaltensweisen bei Tieren schon beobachtet worden. | dpa

Fünf Jahre schon lagen die Völker der Lyder und Meder im Krieg. Schlacht um Schlacht hatten sie miteinander in Kleinasien gekämpft, doch niemand konnte gewinnen. Bis – so berichtet es der antike Historiker Herodot – sich während einer Schlacht plötzlich der Himmel verdunkelte.

Früher jedoch wurden Sonnenfinsternisse als unheilbringendes Vorzeichen gedeutet – oder als göttliches Signal.

Die Soldaten beider Seiten erschraken, legten ihre Waffen nieder – und schlossen auf der Stelle Frieden. Rasch wurde auch noch die Tochter des einen Heerführers dem Sohn des anderen zur Frau gegeben. Wie man das eben damals so machte, im Jahr 585 vor Christus.

Fast jedes Jahr gibt es irgendwo auf der Welt eine totale Sonnenfinsternis. Wenn am 21. August auf einem schmalen Streifen in den USA kurzzeitig der Tag zur Nacht wird, beendet das vermutlich keinen Krieg. Wissenschaftlich lässt sich das Phänomen inzwischen ja gut erklären. Der Mond schiebt sich genau zwischen Erde und Sonne und verdeckt diese vollständig. Früher jedoch wurden Sonnenfinsternisse als unheilbringendes Vorzeichen gedeutet – oder als göttliches Signal.

Die Sonnenfinsternis in Kleinasien soll übrigens der griechische Philosoph Thales vorhergesagt haben, berichtet Herodot weiter. Aber konnte er das wirklich? Historiker und Astronomen sind sich uneinig. Fakt ist: Am 28. Mai 585 vor unserer Zeit fand tatsächlich eine Sonnenfinsternis statt, und auch der Krieg zwischen den westiranischen Medern und den kleinasiatischen Lydern ist historisch.

Was im antiken Kleinasien Frieden stiftete, wurde in China zwei Astronomen zum Verhängnis. Glaubt man der altchinesischen Chronik „Buch der Urkunden“, arbeiteten Hsi und Ho als Hofastronomen im alten China. Sie tranken allerdings auch gerne einen über den Durst. Eines Tages vernebelte ihnen der Alkohol offenbar derart die Sinne, dass sie vergaßen, eine Sonnenfinsternis vorherzusagen. In ihrer Stellung ein fataler Fauxpas.

Im alten China glaubte man nämlich, dass bei einer Sonnenfinsternis ein Drache versuche, die Sonne zu verschlingen. Der Kaiser sandte deshalb stets Soldaten aus, wenn es so weit war. Sie sollten Pfeile in den Himmel schießen, um so den Drachen abzulenken. Aber ohne Warnung konnte der Kaiser auch nicht seine Truppen zusammenrufen. Für ihre Unachtsamkeit wurden die beiden Astronomen geköpft. Wenn die Geschichte wirklich so geschehen ist, übersahen die beiden die Sonnenfinsternis vom 22. Oktober 2137 vor Christus.

Mehr als 3300 Jahre später gelang es einem chinesischen Hofastronom sogar zweimal nicht, die richtige Vorherzusage zu treffen. Auch er musste für sein Versäumnis im Jahr 1202 büßen.

Die plötzliche Dunkelheit war nicht nur Menschen in Fernost unheimlich. Die Azteken schrien und weinten und schlugen sich mit der Hand auf den Mund, aus lauter Angst, die Sonne könne sich auf ewig verdunkeln. Dann nämlich könnten, so glaubten sie, die Dämonen kommen und sie alle auffressen.

Um sich vor Gefahren zu schützen, nehmen mehrere Millionen gläubiger Hindus bis heute während einer Sonnenfinsternis rituelle Bäder. Die indische Mythologie besagt, dass bei einer Sonnenfinsternis der Dämon Rahu versucht, den Sonnengott Surya und damit das Leben auf der Erde in Gefahr zu bringen. Gläubige Hindus in Indien halten die Sonnenfinsternis daher für einen Unglücksbringer. Sie vermeiden es, während der Sonnenfinsternis zu essen und zu trinken.

Um sich vor Gefahren zu schützen, nehmen mehrere Millionen gläubiger Hindus bis heute während einer Sonnenfinsternis rituelle Bäder.

Für Nat Turner nahm eine Sonnenfinsternis tatsächlich ein blutiges Ende. Der schwarze Sklave erlebte am 12. Februar 1831 im US-Bundesstaat Virginia, wie sich der Mond vor die Sonne schob. Für den gläubigen Turner ein göttliches Zeichen: Er begann, sich für eine Rebellion zu wappnen. Ein halbes Jahr später initiierte er den größten Sklavenaufstand in der Geschichte der USA. Mehrere Hundert Menschen kamen ums Leben, als Opfer von Turner und seinen Mitverschwörern und als Opfer wütender Mobs von Weißen. Turner selbst wurde gefangen genommen, erhängt und gehäutet. (dpa)