Martina Gedeck: „Ich glaube an unser Rechtssystem“

Ist der Pilot für Sie persönlich – jenseits Ihrer Rolle als Staatsanwältin – schuldig?

Aus meiner Sicht ist er schuldig, weil er gegen seinen Vorgesetzten, das Verteidigungsministerium, einfach eigenmächtig eine Entscheidung gefällt hat. Das ist ja für ihn als Soldaten der Bundeswehr nicht statthaft. Er hätte es nicht tun dürfen.

Aber wird durch eine solche Sicht der Bürger nicht entlastet, im Notfall selber Verantwortung zu übernehmen?

Ich spreche von diesem konkreten Fall. Ich will das nicht verallgemeinert sehen, denn es lässt sich keine allgemeingültige Aussage treffen. Die Schicksale in der NS-Zeit etwa des Theologen Bonhoeffer oder von Oberst von Stauffenberg, die in den Widerstand gingen, sind Beispiele großer Gewissensbelastungen und auch Gewissensentscheidungen. Es kann lange dauern, um für sich zu klären: Was ist statthaft für mich und was nicht? Welche Verantwortung übernehme ich? Darf ich sie übernehmen? Da ringt der Mensch mit sich.

Hat sich Ihre persönliche Einstellung, die ja fast auf Linie der Staatsanwältin ist, während der Dreharbeiten geändert?

Ich bin froh, dass wir das Grundgesetz haben als Grundlage unseres Rechtsstaates. Ich halte es für problematisch, die Grundlagen der Verfassung zu verlassen. Es kann ja nicht sein, dass jeder, wie er denkt, einfach agiert. Wir leben ja nun nicht in einem diktatorischen Staatsgefüge – zum Glück, sonst wäre das eine andere Situation. In unserem Staat kann man sich meines Erachtens gut darauf verlassen, dass kompetente Menschen über die Verfassung wachen.

Haben Sie seit den Terroranschlägen von 2001 mehr Flugangst?

Ich fliege unbehaglicher. Früher bin ich gedankenlos ins Flugzeug gestiegen, jetzt denke ich immer wieder an diese Dinge.

Sie haben auch die RAF-Terroristin und Staatsfeindin Ulrike Meinhof gespielt. Jetzt verkörpern Sie als Staatsanwältin eine Repräsentantin des Rechtsstaats. Für welche Figur haben Sie mehr Sympathien, Verständnis oder auch Unverständnis?

(Gedeck holt tief Luft, lässt sich Zeit): Ich habe großes Verständnis für die Staatsanwältin. Ich kann ihren Argumenten gut folgen. Auch in ihrer Vernehmung und Vernehmungstaktik finde ich: Es ist sehr schlüssig, sehr klug, sehr nachvollziehbar und die Argumente des Plädoyers gefallen mir, auch wenn sie komplex sind.

Und Ulrike Meinhof…?

…bei ihr liegt der Fall natürlich vollkommen anders. Ich kann ihr politisches Engagement in der Nachkriegszeit sehr gut nachvollziehen. Da gab es noch viel zu verändern. Dass sich Meinhof radikalisiert hat, fand ich persönlich schade. Sie hätte ihrem Beruf treu bleiben und als Journalistin weiter versuchen sollen, auf den Staat und auf die Gesellschaft einzuwirken. Ich habe es sehr bedauert, dass diese kluge Frau in den Terror abgeglitten ist.

Ist unser Rechtssystem überfordert, einen Fall wie den des Piloten, der das Flugzeug abschießt, gerecht aufzuarbeiten?

Unser Rechtssystem mag vielleicht begrenzt wirken, aber eine differenzierte Rechtsprechung ist möglich. Und darum geht es hier ja: Um ein Von-Fall-zu-Fall und nicht um Grundsätzliches. Man muss vieles abwägen und am Ende beim individuellen Fall bleiben. Es ist immer schwierig, Recht zu sprechen, aber ich glaube an unser Rechtssystem. (dpa)

Das TV-Gerichtsdrama „Terror – Ihr Urteil“ läuft an diesem Montag (20.15 Uhr) in der ARD. Die Zuschauer fällen am Ende per Telefon- und Online-Voting das Urteil: Schuldig oder Freispruch. Danach gibt es eine Live-Sonderausgabe von „Hart aber fair“ mit Moderator Frank Plasberg.