Marmor aus dem italienischen Ort Carrara fasziniert noch immer

Ebenso moderne Bauwerke wie das Opernhaus in Oslo oder die Scheich-Said-Moschee in Abu Dhabi. „Unser Marmor ist Stein gewordenes Licht“, sagen die Einwohner stolz über ihren berühmten Marmor. „Carrara-Marmor hat Anhänger in aller Welt“, findet Erich Lucchetti, der Präsident des Arbeitgeberverbandes Confindustria in der Provinz Carrara und selbst Marmorunternehmer. „Wir sind gut darin, unsere Produkte zu verkaufen – sogar gegen die Konkurrenz des chinesischen und indischen Marmors.“ Selbst während der Rezession nach der globalen Finanzkrise 2008 habe der Sektor nicht gelitten. Fast eine Million Tonnen Marmor wurden allein 2016 in Blöcken aus den etwa 80 Steinbrüchen in Carrara gezogen, darunter 150.000 Tonnen der Topqualität „statuario“. Der Industriezweig beschäftigt nach Zahlen von Confindustria mehr als 4.400 Menschen.

Doch eines der erfolgreichsten italienischen Nischengeschäfte gerät unter Druck, sich zu erneuern – und sauberer zu werden. Hinter diesem Ruf steht vor allem der Bürgermeister von Carrara, der vor seiner überraschenden Wahl im Juni als Umweltaktivist und ehrenamtlicher Mitarbeiter einer katholischen Kirchengemeinde von sich reden gemacht hatte. „Wir müssen eine Menge regeln“, sagt Francesco De Pasquale, der für die populistische Fünf-Sterne-Bewegung angetreten war und einer mehr als 60 Jahre andauernden Tradition linker Rathauschefs ein Ende setzte. Seine Vorgänger waren in der Stadt mit wenig mehr als 60.000 Einwohnern als zu weich im Umgang mit den Steinbruchbetreibern angesehen worden.

„Unser großes Problem sind jetzt die Millionen Tonnen an Schutt“, die als Abraum aus den Steinbrüchen illegal gelagert würden, sagt De Pasquale am Telefon. Und warnt, dass die Schuttberge das Risiko von Lawinen und Erdrutschen erhöhten. So habe Marmorschutt, der die Abhänge heruntergerutscht sei, 2003 eine Überschwemmung verschlimmert. Damals sei ein Mensch ums Leben gekommen. Die Steinbrüche liegen oben in den Bergen.

Für eine weitere Überschwemmung 2014 wurde der Abbau von Marmor nicht direkt verantwortlich gemacht. Doch das Ereignis nährte die Angst der Einwohner vor Naturkatastrophen. „Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte“, sagt De Pasquale. Zudem gebe es das Problem der Marmorstaubpartikel, die durch poröses Berggestein gelangten und örtliche Quellen verunreinigten, meint Giuseppe Sansoni, ein Aktivist und pensionierter Umweltinspekteur. Der Stadtrat müsse dafür sorgen, dass die Steinbrüche sauber seien und Boden sowie Staub nicht einfach irgendwo liegenblieben. „Unglücklicherweise gibt es aber so etwas wie saubere Steinbrüche nicht, das war schon immer so.“

Die Steinbruchbetreiber weisen die Kritik zurück. Sie wittern eine „ideologische Opposition“ gegen eine Industrie, die schon gut reguliert sei. Man habe „wirklich schon große Fortschritte“ gemacht, meint Unternehmer Lucchetti. Stolz verweist er auf ein Pilotprojekt, mit dem Marmorschutt wiederverwendet wird – um erodierte Strände zu füllen. Schutt kann zudem genutzt werden, um Zahnpasta, Kosmetika oder chemische Produkte herzustellen.

Der Regionalverwaltung der Toskana sind die ewig geltenden Abbruchrechte ein Dorn im Auge, die ein Gesetz aus dem Jahr 1751 festschreibt. Sie würde diese Rechte gerne öffentlich ausschreiben. Dies würde auch ausländischen Investoren Zugang zur Marmorindustrie verschaffen. Das könnte dann aber auch zu Übernahmen führen, warnen viele. Einwohner weisen darauf hin, dass einer der größten Anbieter, Marmi Carrara, sich bereits zur Hälfte in den Händen der Familie des einstigen Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden aus Saudi-Arabien befinde.

Ich bin mir nichtsicher, welchen Vorteilwir von einer Globalisierung hätten.“

„Ich habe bereits viele Angebote aus China“, sagt Alvise Lazzareschi, dessen Familie seit dem 15. Jahrhundert im Marmorgeschäft tätig ist und einen der ältesten Steinbrüche betreibt. Schon im ersten Jahrhundert soll hier Marmor abgebaut worden sein. „Ich bin mir nicht sicher, welchen Vorteil wir von einer Globalisierung hätten“, sagt Lazzareschi.

Oben in den Bergen, wo der Marmor abgebaut wird, sind es die Arbeiter, die sagen, dass örtliche Traditionen gewahrt werden müssen. „Es ist ein harter Job, wir sind immer den Elementen ausgesetzt, und das ist gefährlich“, sagt der 42-jährige Mirko. Fünf seiner Kollegen starben im Juni 2014 bei der Arbeit. „Aber ich hoffe, dass mein sechsjähriger Sohn in meine Fußstapfen treten wird – das ist eine Frage des Familienstolzes.“ (dpa)