Manfred Weber will EU-Kommissionschef werden

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber (Bild) will 2019 Nachfolger von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker werden. | Photo News

Manfred Weber arbeitet leise, aber systematisch. Monatelang sondierte der Fraktionschef der Europäischen Partei im Europaparlament das Terrain, taxierte seine Gegner, sammelte Unterstützer, zuletzt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nun wagt sich der 46-jährige CSU-Vizechef aus der Deckung. „Ich bewerbe mich als Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei EVP für die Europawahlen, um Präsident der Europäischen Kommission zu werden“, erklärte Weber am Mittwochvormittag auf Twitter.

. „Ich werde mithelfen, Europa zurück zu den Menschen zu bringen.“

Europa sei am Wendepunkt, und die Wahl im Mai werde über die Zukunft der EU entscheiden, warnte er. Die EU dürfe nicht einfach so weiter machen wie bisher, Europa sei kein Projekt der Bürokraten und Eliten. „Ich werde mithelfen, Europa zurück zu den Menschen zu bringen“, kündigte Weber an. Ob er allerdings wirklich nächstes Jahr Nachfolger des Luxemburgers Jean-Claude Juncker wird, ist längst nicht ausgemacht.

Weber muss zunächst innerhalb der EVP etwaige Konkurrenten aus dem Feld schlagen und am 8. November bei einem Parteitreffen der Christdemokraten in Helsinki nominiert werden. Anschließend muss er bei der Europawahl ein passables Wahlergebnis einfahren und die EVP zumindest zur stärksten Fraktion im nächsten Europaparlament machen. Nur dann hätte der Niederbayer eine Chance, als erster Deutscher seit mehr als 50 Jahren den mächtigsten EU-Posten in Brüssel zu besetzen.

Hat Manfred Weber das Zeug dazu? Der 46-Jährige ist kein Lautsprecher. Im persönlichen Gespräch ist der Diplomingenieur freundlich und eher nachdenklich, im Parlament in Straßburg oder Brüssel tritt er staatsmännisch auf. Zumindest in den eigenen Reihen punktet er damit. An die Spitze der größten Fraktion im Europaparlament kam Weber 2014, ein Karrieresprung nach zehn Jahren in Brüssel und fünf Jahren als Fraktionsvize. 2016 bestätigten ihn die 219 Abgeordneten zur Mitte der Legislatur mit 97,8 Prozent der Stimmen im Amt. Deshalb glauben viele in Fraktion und Partei, dass er gute Chancen auf die Nominierung als Spitzenkandidat hat: Weber hat in den eigenen Reihen viele Freunde und kaum Feinde.

In der CSU hat der verheiratete Katholik aus Wildenberg eine klassische Parteikarriere gemacht. Von 2003 bis 2007 war er Chef der Jungen Union in Bayern, von 2008 bis 2016 niederbayerischer Bezirksvorsitzender – was in der CSU-Hierarchie ein wichtiges Amt ist. Von 2002 bis 2004 saß er im bayerischen Landtag, bevor er 2004 erstmals ins Europaparlament gewählt wurde. 2015 wurde er stellvertretender Parteichef. Doch mit den EU-Kritikern in seiner Partei hat Weber wenig zu schaffen. Auf der Brüsseler Bühne gibt er sich als leidenschaftlicher Europäer, der Attacken gegen die EU persönlich nimmt.

Der für 2019 angekündigte EU-Austritt Großbritanniens gehört dazu, aber auch die Feindseligkeit von US-Präsident Donald Trump gegen die einst so engen europäischen Verbündeten und der Aufschwung eurokritischer und nationalistischer Populisten in vielen Ländern Europas. „Es geht heute um die Selbstbehauptung Europas und die Verteidigung unserer Werte, weil wir von außen und innen angegriffen werden“, schrieb Weber am Mittwoch in seiner Twitter-Serie. Und er fügte hinzu: „Dafür ist für die EU ein Aufbruch zu einem besseren, geeinteren und demokratischeren Europa notwendig.“

Ob gerade der leise Mann aus Niederbayern die Leidenschaft für Europa neu entzündet, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Finnland, Estland, Polen, Portugal? Ist Weber bekannt genug? Spricht er genug Sprachen? Anders als frühere Kommissionspräsidenten war er nicht Regierungschef, ja noch nicht einmal Minister oder Lenker eines auch nur annäherend ähnlich riesigen Apparats. Die Kommission hat 32.000 Mitarbeiter.

Als Deutscher kämpft er zudem im übrigen Europa mit dem Vorurteil, die große Wirtschaftsmacht in der EU-Mitte wolle die Gemeinschaft dominieren. Die Prediger der Sparsamkeit aus Berlin kamen in der Krise in Griechenland oder auch in Italien nicht gut an. Als EU-Kommissionspräsident müsste Weber den deutschen Hut denn auch bald absetzen und wirklich ein übergeordneter Mr. Europa werden, so wie es auch Juncker versucht hat. Geübt hat Weber das in Brüssel schon eine ganze Weile. Seine Fraktion, sagt Weber, sei ja fast wie ein Kleineuropa. (dpa)