Lebenslang für Zschäpe

Im NSU-Prozess ist die Hauptangeklagte Beate Zschäpe (l.) zu lebenslanger Haft verurteilt worden. | Peter Kneffel/dpa

Beate Zschäpe zeigt keine erkennbare Reaktion. Ganz in Schwarz gekleidet, aber mit einem rot-lila-weißen Schal, lauscht sie den Worten des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl. Höchste Spannung herrscht am Mittwoch im proppenvollen Gerichtssaal 101, als Götzl das Urteil im NSU-Prozess verkündet. Zschäpe hat den Kopf der Richterbank zugewandt, als der Richter sofort zur Sache kommt: Die 43-Jährige ist schuldig des zehnfachen Mordes und vieler weiterer Verbrechen und Straftaten – und wird zu lebenslanger Haft verurteilt.

Das Münchner Oberlandesgericht verurteilt Beate Zschäpe also tatsächlich als Mittäterin an den Morden und Anschlägen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU): als Mörderin, als Attentäterin, als Bombenlegerin – auch wenn es bis heute keinen Beweis gibt, dass sie an einem der vielen Tatorte war. Doch das Gericht folgt nach mehr als fünf Jahren Prozessdauer, nach mehr als 430 Verhandlungstagen, nach Hunderten Zeugen, nach dem Bewerten und Wägen unzähliger Indizien der Argumentation der Bundesanwaltschaft.

Auf deren Maximalanklage folgt nahezu die Maximalverurteilung: Das Gericht stellt auch die besondere Schwere der Schuld fest, verzichtet lediglich auf die Anordnung von anschließender Sicherungsverwahrung. Götzl redet ungewöhnlich schnell, sowohl bei der Urteilsverkündung als auch in der anschließenden Urteilsbegründung. Und macht immer wieder deutlich, dass das Gericht Zschäpe als gleichberechtigtes Mitglied eines eingeschworenen Terror-Trios sieht. Die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Hürden für eine Mittäterschaft sind hoch. Deshalb formuliert Götzl hier akribisch genau.

Zschäpe und ihre Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt seien übereingekommen, als zusammengeschlossener Verband Menschen aus antisemitischen oder anderen Gründen zu töten, sagt Götzl. Er spricht von ideologisch motivierten Zielen, an denen alle drei gleich großes Interesse gehabt hätten. Die Taten seien nur unter Mitwirkung Zschäpes durchführbar gewesen. Deren Aufgabe sei etwa gewesen, für eine harmlose Legende nach außen zu sorgen, um die Entdeckung zu erschweren. „Sie unterwarf sich willentlich dieser gemeinsam gewollten Gesamtkonzeption.“

Immer wieder, bei der Schilderung jeder einzelnen Tat, jedes Mordes, jedes Anschlags, benutzt Götzl diese Formulierung: Böhnhardt und Mundlos hätten „aufgrund eines gemeinsam gefassten Tatplans und im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Frau Zschäpe“ gehandelt, Menschen erschossen, Bomben deponiert, Raubüberfälle begangen.

Der Prozess hat so lange gedauert, weil das Gericht, einem Mosaik gleich, ein großes Bild zusammensetzen musste. Und am Ende die Frage stellen musste: Reicht das, was Zschäpe in all den Jahren getan hat, zur Begründung einer Mittäterschaft aus? Kann sie als Mörderin bestraft werden, als hätte sie selbst den Abzug jener Waffe gedrückt, mit der ihre Freunde mordend durchs Land zogen? Die Richter haben diese Frage mit einem Ja beantwortet – und damit deutlich gemacht: Sie glauben Zschäpe nicht. Die 43-Jährige hatte ja vergangene Woche noch ans Gericht appelliert, sie wolle nicht für etwas bestraft werden, was sie weder gewollt noch getan habe. In ihren schriftlichen Einlassungen hatte sie erklärt, sie habe von den Morden und Anschlägen immer erst im Nachhinein erfahren, sie habe sich von den beiden Freunden nicht lösen können, sei abhängig gewesen, geschlagen worden. Zschäpes Verteidiger hatten argumentiert, ihre Mandantin sei keine Mörderin, keine Attentäterin. Doch bei Götzls OLG-Senat sind sie damit nicht durchgedrungen. (dpa)