Kritik an Bürgerdebatte

Besonders die Linken werfen Macron vor, wichtige Themen wie die Wiedereinführung der umstrittenen Vermögenssteuer auszuklammern. „Es gibt keine verbotenen Fragen ... außer denen, die wütend machen“, erklärte Manon Aubry, Spitzenkandidatin der Linkspartei France Insoumise für die Europawahl, am Montag. Dazu gehöre etwa die Vermögenssteuer. Macron hatte sich am Sonntagabend mit einem Brief an die Franzosen gewandt und sie dazu aufgerufen, sich in großer Zahl an den Gesprächsrunden im ganzen Land zu beteiligen, die bis zum 15. März dauern sollen und am Dienstag beginnen. Im April werde er Schlussfolgerungen der Debatte ziehen. Aubrys Parteikollege Jean-Luc Mélenchon nannte den Brief einen „Flop“. Auch andere Oppositionspolitiker sehen Macrons Schreiben kritisch.

„Für mich gibt es keine verbotenen Fragen“, schrieb Macron. Die großen Themen der Debatte sind: Steuern und öffentliche Ausgaben, Staatsorganisation, ökologischer Wandel und Demokratie - dazu gehört auch das Reizthema Einwanderung. Macron listete in seinem Brief knapp drei Dutzend Einzelfragen auf.

Im Zuge der „Gelbwesten“-Proteste war allerdings auch eine neue Debatte über die umstrittene Vermögenssteuer (ISF) entflammt. Es wurde spekuliert, ob ihre Abschaffung nicht wieder gekippt werden könnte. Die Vermögenssteuer war mit dem Haushaltsgesetz für 2018 weitgehend abgeschafft worden. Diese Regelung hatte Macron auch den Ruf eingebracht, ein „Präsident der Reichen“ zu sein. Eine Wiedereinführung hatte er immer wieder ausgeschlossen. Nun schreibt er in seinem Brief, ohne die Steuer zu nennen, dass zu hohe Steuern die Wirtschaft jener Ressourcen berauben, die sinnvoll in Unternehmen investiert werden können. „Wir werden nicht auf die Maßnahmen zurückkommen, die wir ergriffen haben, um dies zu korrigieren“, heißt es. Sie seien gerade erst zur Abstimmung gestellt worden und würden nun beginnen, zu wirken, so Macron. „Mit anderen Worten, wir können die Abschaffung der ISF (...) nicht in Frage stellen, denn darauf bezieht sich dieses technokratische Vokabular“, warf Melenchon Macron vor. Doch nicht nur von linker Seite gibt es Anstoß an Macrons Brief an seine Landsleute. Der Brief zeige, dass Macron von der täglichen Realität der Franzosen getrennt sei, die Steuerfrieden, mehr Würde, mehr Demokratie und weniger Einwanderung wollten, so Jordan Bardella, Europa-Spitzenkandidat von Rassemblement National, der Partei von Rechtspopulistin Marine Le Pen. „Dieser Brief sagt uns nicht, ob Emmanuel Macron seine Fehler erkennen und seine Politik ändern wird“, erklärte Laurence Saillet, Sprecherin der konservativen Republikaner.

Der Präsident der Eurometropole Straßburg, Robert Herrmann, sieht vor allem die Organisationsform der Bürgerdebatte kritisch. Sie sei „auf seltsame Weise strukturiert“, sagte er bei einem Treffen mit Journalisten. Jeder, der wolle, könne eine Gesprächsrunde veranstalten. Wie solle da beispielsweise verhindert werden, dass Lobbygruppen Einfluss nähmen? Und wer stelle sicher, dass der vorgesehene Abschlussbericht jeder Debatte auch wirklich den Inhalt der Gespräche wiedergebe? „Es gibt noch sehr viele Fragen“, sagte Herrmann. Ob die „nationale Debatte“ die Probleme in Frankreich lösen könne? „Nichts ist weniger sicher.“

Nach Ansicht von Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire hingegen kann die „nationale Debatte“ die Franzosen wieder einen. Die Initiative gebe Antworten auf Fragen, die sich die Franzosen stellen, und könne so wieder eine „nationale Einheit“ bringen, sagte er in seiner Neujahrsansprache. Die Debatte sei auch notwendig, damit die Gewalt aufhöre. „Ich hoffe, dass die für die Debatten wichtigen wirtschaftlichen und steuerlichen Aspekte von allen angesprochen werden“, erklärte Le Maire. Die Steuern im Land seien zu hoch und zu zahlreich. (dpa)