Krank durch Krankenhaus

Viele Kliniken haben die Hygiene verbessert. | dpa



«Die Studie ist in meinen Augen die beste, die ich zu diesem Thema gesehen habe, nicht nur in Europa», sagte Petra Gastmeier, Direktorin des Referenzzentrums zur Überwachung von Krankenhausinfektionen an der Berliner Charité. «Das deckt sich auch mit unseren Annahmen». Ein Drittel der Krankenhausinfektionen gilt als vermeidbar – zum Beispiel durch bessere Hygiene.

Für ihre Studie haben die Forscher um Alessandro Cassini vom Europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) vor allem auf Daten dieses Zentrums zurückgegriffen. Sie wurden 2011/12 in 30 europäischen Ländern mit insgesamt 510 Millionen Einwohnern erhoben. Als Basis für die Auswertung dienten am Ende die Daten von rund 274 000 Patienten in rund 1150 Akutkrankenhäusern. Bei den Hochrechnungen wurden Krankenhausinfektionen, die durch multiresistente Erreger ausgelöst wurden, bewusst nicht separat ausgewiesen. Sie sind in die Gesamtzahl eingeflossen. In der Studie seien 85 bis 90 Prozent der in den 30 Ländern vorkommenden Krankenhausinfektionen erfasst worden, sagt Expertin Gastmeier.

Eine solche Infektion bekommt ein Patient per Definition in einer Klinik. «Er hatte sie noch nicht, als er aufgenommen wurde und er war auch noch nicht mit diesen Erregern infiziert», erläutert Gastmeier. «Am ersten und zweiten Tag in einer Klinik sind es in der Regel mitgebrachte Infektionen, ab Tag drei gilt es als Krankenhausinfektion», ergänzt sie. Das heiße aber nicht, dass ab dem dritten Tag automatisch Klinikmitarbeiter die Schuld daran trügen.

Denn die Gründe für diese Infektionen sind vielfältig. Klinik-Patienten benötigen oft invasive Untersuchungen oder Therapien: Sie bekommen zum Beispiel Katheter gelegt oder werden an Beatmungsgeräte angeschlossen. «Das alles sind Eintrittsschienen für Erreger in den Körper», sagt Gastmeier. Oft seien es gar keine fremde Keime aus der Umgebung. «Jeder von uns schleppt Billionen Bakterien mit sich herum», erläutert die Hygieneärztin. «Zum Beispiel auf unserer Haut oder im Darm – und die dringen dann in den Körper ein.» Je länger ein Katheter liege, desto größer sei das Risiko dafür.

Doch mit einem Rückgang ist wohl auch nicht zu rechnen. Zwar haben viele Kliniken die Händehygiene verbessert und es gibt mehr geschultes Personal. «Doch die Patienten werden immer älter und kränker und damit noch anfälliger für Infektionen», berichtet Gastmeier. Es gibt noch zwei gegenläufige Entwicklungen: Durch Schlüsselloch-Chirurgie ist das Infektionsrisiko heute bei Operationen geringer als früher. Doch auf der anderen Seite steige die Zahl der invasiven Maßnahmen, berichtet Gastmeier. So würde oft nicht mehr nur ein zentraler Venenkatheter gelegt, sondern mehrere. Und bei jeder Eintrittsstelle in den Körper haben Keime Chancen. (dpa)