Kommunen drängen ins Speichergeschäft

Mit der Energie-Union soll eine Wende auf dem europäischen Strommarkt einhergehen. Ein konkretes Modell möchte die EU-Kommission zum Jahresende auf den Tisch legen. Illustration: dpa | 4

So gibt es in Belgien immer mehr Windstrom- und Solarstromanlagen. Betrug die Kapazität laut EU-Statistikbehörde Eurostat 1995 gerade einmal fünf Megawatt, lag sie 2014 bei rund 5.000 Megawatt. Das Problem: Sonne und Wind liefern nicht immer, aber manchmal mehr als verbraucht werden kann. Wohin dann mit dem überschüssigen Ökostrom? Speicherung heißt das Zauberwort, das sich die kommunalen Energieversorger zum Geschäftsmodell machen wollen. Die Technik macht es möglich. Speichertechnologien werden immer leistungsfähiger. Und je mehr Speicher produziert werden, desto billiger werden sie.

Die EU-Kommission möchte ihnen dieses Geschäft jedoch nicht überlassen. In Europa wird immer mehr Ökostrom dezentral, das heißt lokal, generiert. Die Informationstechnologie ermöglicht es, dann Strom zu verbrauchen, wenn er billig ist, und erst dann einzuspeisen, wenn er teuer ist. Die Verteilernetze sollen „smart“ werden. Das hat sich auch die Kommission mit ihrer Energie-Union auf die Fahnen geschrieben. Wenn die EU-Behörde von „Energiewende“ spricht, hat sie vor allem eine „Dekarbonisierung“ im Sinn, also eine Wirtschaft mit wenig Ausstoß von Treibhausgasen. Die EU-Kommission setzt auf die Innovationskraft der lokalen Energieversorger: „Strom muss nicht zentral generiert werden“, sagt EU-Kommissionsvizepräsident Maros Sefcovic, der für die Energie-Union verantwortlich zeichnet. Er verspricht den lokalen Energieversorgern Investitionsschutz und weniger Bürokratie. Denn immer wieder hatten sich Gemeinden darüber beschwert, dass die Kommission deren Beihilfen an kommunale Energieversorgungsunternehmen aus wettbewerbsrechtlichen Gründen untersagt. Doch nicht alle sind so zuversichtlich. Christoph Mayer vom Oldenburger Institut für Informatik (Offis) bezweifelt die Innovationskraft der lokalen Energieversorger (Interkommunalen in Belgien). „Einige von ihnen werden von der Bildfläche verschwinden“, denkt er. Die Kommunen seien immer noch zu passiv. Distributive Speicherung hat jedenfalls den Vorteil, dass weniger in die überregionalen Übertragungsnetze investiert werden muss. Außerdem stoßen neue Hochspannungsleitungen oft bei den Bürgern auf Widerstand. Die EU-Kommission möchte das Speichergeschäft aber nicht den lokalen Energieversorgern erlauben. Deren klassisches Geschäft – die Verteilung von Gas und Strom – ist staatlich reguliert, weil sie natürliche Monopole sind. In der Wallonie zum Beispiel schreibt ihnen der regionale Energie-Regulator (Cwape) vor, was sie an Netzgebühren verlangen dürfen. Der Betrieb von Speichern wäre damit ein Zusatzgeschäft für die Monopole. Auch das Geschäft mit riesigen Kundendaten („Big Data“) wollen sich kommunale Anbieter nicht nehmen lassen. Die Interkommunalen haben die Verbrauchsdaten ihrer Kunden und nutzen sie für neue Geschäftsmodelle sowie für die Stabilisierung ihrer Netze, die durch immer mehr dezentrale Generationen schwieriger geworden ist.

Doch welche Rolle sollen die kommunalen Energie-Versorger in der Energie-Union spielen? Im Dezember kommt die EU-Kommission mit umfangreichen Gesetzesvorschlägen zu einem neuen Strommarktmodell, in dem unter anderem diese Frage geklärt werden soll. 2017 werden sich EU-Parlament und die EU-Regierungen damit auseinandersetzen. Viele Interessengruppen werden deshalb versuchen, Einfluss zu nehmen und diesen bei manchen Detailfragen wohl auch bekommen.