Kanada legalisiert Cannabis

Futurola Pro Roller, eine Marke aus Amsterdam, mit denen man die „perfekte Zigarette“ oder eben den „perfekt geformten Joint“ drehen kann, werden im Cafe „Cannabis & Coffee“ angeboten. | Manuela Imre/dpa


Das wird sich auch nach Mittwoch vorerst nicht ändern, dem Tag, ab dem Cannabis in Kanada legal sein wird. Die Provinz Ontario genehmigt dann zwar privaten Konsum und Kauf von Marihuana – dennoch können Konsumenten ihren Cannabis-Vorrat aber vorerst nur online aufstocken. Denn während in einigen Provinzen bereits am Stichtag Läden eröffnen, wird das in Ontario erst ab April möglich sein.

Noch etwas länger dürfte es dauern, bis Cannabis-Lebensmittel wie Kekse oder Getränke ihren Weg in die Regale finden. Frühestens ab Herbst 2019 soll es in Ontario so weit sein. „Wir haben Geduld“, sagt James, der die Zeit vor allem nutzen will, um Interessierte mit Infomaterial und Events über Cannabis aufzuklären. „Unser Hauptziel ist, das Stigma aus den Köpfen der Menschen zu entfernen“, sagt der Cafébesitzer. Eine Legalisierung sei der erste Schritt. Er zeigt dabei auf eine Anzeigetafel, die die Tage, Stunden und Minuten bis zum 17. Oktober runterzählt. Damian Smith, ein breitschultriger 20-jähriger Student, der im „Cannabis & Coffee“ gerade Zucker auf das Cannabis-Blatt im Milchschaum kippt, sagt: „Ich bin vor allem erleichtert, dass ich nun nicht mehr einen Kumpel meines Kumpels irgendwo auf einem dunklen Parkplatz treffen muss, in ständiger Angst, dass die Polizei um die Ecke kommt.“

Er drehe „ab und an, naja, regelmäßig am Wochenende“ einen Joint, wie die meisten seiner Freunde. Marihuana sei nichts Neues unter Torontos Jugendlichen, sagt Damian und zuckt mit den breiten Schultern. „Das ist kein Geheimnis. Man riecht Pot doch an jeder Ecke.“ Mehr wolle er wegen der Legalisierung nicht rauchen. „Aber eben ohne schlechtes Gewissen.“ Das schlechte Gewissen scheint sich bei Bürgern Torontos ohnehin bisher in Grenzen zu halten: Laut einer Untersuchung des kanadischen Marktforschungsunternehmens Environics Analytics rauchen die Bewohner der Metropole mit knapp drei Millionen Einwohnern fast 142 Millionen Joints im Jahr. Stapelte man die Zigaretten aufeinander, könnte man nach Berechnungen kanadischer Medien daraus 2050 Mal den CN-Tower bauen, das gut 550 Meter hohe Wahrzeichen der Stadt.

Für den medizinischen Gebrauch konnte man mit einem Rezept bereits seit Jahren in sogenannten „Cannabis Clinics“ – Mini-Apotheken, die überall in Toronto verteilt sind – Marihuana für den medizinischen Gebrauch abholen, vorausgesetzt ein Arzt attestierte die Notwendigkeit. „Aber auch sonst war es bisher nicht wirklich schwer, etwas zu bekommen“, sagt Smith. „Eben beim Kumpel vom Kumpel.“ Nach dem 17. Oktober darf nun jeder ab dem 19.Lebensjahr 30 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum bei sich tragen und auch vier der Gewächse zu Hause anpflanzen. Legalisierungsgegner prangern an, dass der Cannabis-Gebrauch in Toronto in den vergangenen Jahren vor allem bei Jugendlichen angestiegen ist. Die Gefahr für Minderjährige nehme durch den freien Gebrauch nur zu. Verfechter der Freigabe wiederum sehen eine Chance zur breiteren Information. Bill Blair, Minister für Grenzschutz und Kriminalitätsreduzierung, sagte einem Lokalsender in Toronto, dass sich die Behörde seit mehr als zwei Jahren auf eine Legalisierung vorbereite. „Wir müssen den Gebrauch aus dem Schatten holen und über die Gefahren aufklären.“

Ähnlich sieht es Generalstaatsanwältin Caroline Mulroney, die in einem Twitter-Post bekanntgab, dass zeitgleich mit der Legalisierung eine Aufklärungskampagne gestartet werde. „Es versteht sich von selbst, dass diese Anzeigen nicht den Cannabis-Konsum oder den Cannabis-Markt fördern, sondern sich auf die soziale Verantwortung konzentrieren“, so Mulroney. Viele Unternehmer, große Firmen und auch Arbeitssuchende erhoffen sich von der Legalisierung aber genau das: eine neue boomende Industrie.

„Ein Tsunami derfreien Auswahl wirddie Kanadier treffen.“

„Ein Tsunami der freien Auswahl wird die Kanadier treffen“, prophezeit beispielsweise Greg Pantelic, Chef von AHLOT, einer Firma, die ab Mittwoch Cannabis online verkauft. „Bald wird es schwierig sein, sich zwischen Hunderten von neuen Marken zu entscheiden“, sagt Pantelic. Mithilfe eines Twitter-Aufrufs will er gegensteuern: „Wir suchen „Cannabis Connoisseure“, die gegen Bezahlung unterschiedliche Marihuana-Sorten testen und auf Social Media darüber berichten“ – nach der Legalisierung natürlich. Der Zulauf, sagt Pantelic, sei gigantisch.

In Deutschland ist der Besitz, Anbau und Handel von Cannabis-Produkten grundsätzlich verboten. Es drohen Geld- oder Haftstrafen. Bei geringen Mengen zum Eigenverbrauch kann die Staatsanwaltschaft aber von einer Strafverfolgung absehen. Das ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Die Grenzen liegen bei sechs oder zehn, in Berlin bei bis zu 15 Gramm. Seit März 2017 ist es zudem gesetzlich möglich, dass Patienten im Einzelfall Cannabis auf Rezept bekommen. (dpa)