Giftpfeile zwischen Rom und Paris

Von der viel besagten Hassliebe zwischen den Nachbarn Frankreich und Italien ist derzeit wenig Liebe und viel Abneigung zu spüren. Seit die populistische Regierung aus rechter Lega und europakritischer Fünf-Sterne-Bewegung in Rom Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum Lieblingsfeind auserkoren hat, fliegen die Giftpfeile aus dem Süden in Richtung Paris. Jetzt haben die italienisch-französischen Beziehungen einen neuen Tiefpunkt erreicht - und das genau zu einem Zeitpunkt, an dem Deutschland und Frankreich ihre Freundschaft neu besiegelt haben.

In Italien ist man seit langem darüber verärgert, dass Frankreich an der Grenze bei Ventimiglia Migranten zurückschickt.

Die Beziehungen seien in der „tiefsten politischen Krise“ seit dem Zweiten Weltkrieg, sagte der französische Politikwissenschaftler Marc Lazar, der auch in Rom lehrt, unlängst in einem Interview.

Der letzte Schlagabtausch begann, als Macron und Kanzlerin Angela Merkel in Aachen 56 Jahre nach Unterzeichnung des Élysée-Vertrages ihren Freundschaftspakt erneuerten. Sterne-Chef und Vize-Premier Luigi Di Maio befand, dass Frankreich nur wegen seiner ehemaligen Kolonien eine Wirtschaftsmacht sei und sich dort immer noch als Kolonialherr aufspiele und die Migranten letztlich nach Europa treibe.

„Bevor ihr uns moralisiert, befreit Afrika vom Neokolonialismus“, so Di Maio. Das erboste die Franzosen so sehr, dass sie die italienische Botschafterin ins Außenministerium einbestellten.

In Italien ist man seit langem darüber verärgert, dass Frankreich an der Grenze bei Ventimiglia Migranten zurückschickt. Aber der neue Streit ist auch politisches Kalkül. Denn die Sterne-Bewegung sinkt in Umfragen, beherrscht doch der dauerpräsente rechte Innenminister Matteo Salvini mit seinem Lieblingsthema Migration die Schlagzeilen. Da wurde es für Di Maio Zeit, sich mit der Kolonialismus-Provokation mal wieder Gehör zu verschaffen.

Auch im Haushaltsstreit mit Brüssel war vor allem der französische Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici eine Hassfigur in Italien. Und während Frankreich Italien immer wieder ermahnte, das Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen, droht Paris nun selbst die europäische Defizitgrenze zu reißen. Der Grund ist ein milliardenschweres Sozialpaket, mit dem Macron die „Gelbwesten“-Krise in den Griff kriegen will.

Mit der Protestbewegung, die Macron unter Druck setzt, liebäugelten die Sterne zuletzt. Vor der Europawahl im Mai sind sie auf der Suche nach Verbündeten. Die Maio versprach den „Gelbwesten“ Unterstützung. Das schmeckte Frankreich gar nicht - einige witterten sogar italienisches Geld hinter der Bewegung. Es sei notwendig zu wissen, ob es ausländische Mächte gebe, die Randalierer und die städtische Gewalt in Paris finanzieren, sagte Frankreichs Gleichstellungs-Staatssekretärin, Marlène Schiappa.

Der zweite Vize-Premier Salvini ist dafür mit Frankreichs Rechtspopulistin Marine Le Pen besonders eng. So lässt er auch keine Gelegenheit aus, um über Macron als „schrecklichen Präsidenten“ zu lästern.

In Frankreich versucht man, die Provokationen abperlen zu lassen.

„Wir haben in Frankreich einen Ausdruck, der sagt, dass Überzogenes unbedeutend ist“, sagte Europaministerin Nathalie Loiseau - und fügte hinzu: „Meine Antwort ist, dass es nicht unsere Absicht ist, einen Wettstreit zu führen, wer der Dümmste ist.“

Beobachter in Frankreich sehen allerdings auch Paris in der Verantwortung. Denn mit seiner Politik würde Macron Europa in zwei Blöcke zerlegen, schreibt die Zeitung „L’Express“. Einen progressiven, angeführt von Frankreich, und einen nationalistischen. Kein Wunder, dass diese Art von Politik Italien nicht gefällt, weil sie Italien ins Abseits stellt. Ob es aber eine gute Idee ist, die traditionellen europäischen Partner zu verprellen und mit Frankreich einen der wichtigsten Handelspartner, ist fraglich.

Um mehrere Großprojekte zwischen den Ländern ist es nicht gut bestellt.

Um mehrere Großprojekte zwischen den Ländern ist es nicht gut bestellt. So wird sich die Regierung in Rom nicht einig, ob die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Lyon und Turin (TAV) gebaut oder gestoppt werden soll. Hinzu kommt die geplante Allianz zwischen dem französischen Militärschiff-Hersteller Naval Group und dem italienischen Schiffbaukonzern Fincantieri. Naval Group ist mehrheitlich im französischen Staatsbesitz, das Projekt steht unter Aufsicht der Verteidigungsministerien. Der aktuelle Streit dürfte nicht förderlich sein.

Am Dienstag stand ein Treffen der EU-Staaten Südeuropas auf Zypern an. Auch Italiens Premier Giuseppe Conte und Macron waren angemeldet. Auf der Tagesordnung stand vor allem das Thema Migration. Ob nebenbei etwas Zeit zur Annäherung bleibt? Zu wünschen wäre es, denn - so urteilt die französische Zeitung „Le Monde“: „Paris und Rom, die einander zu ähnlich sind, um Krieg zu führen, sind dazu verdammt, miteinander auszukommen.“ (dpa)