„Gefühlsschwamm“ oder autoritär?

Managerin Anka Wittenberg | Daniel Karmann/dpa

Arte zeigt an diesem Dienstag (20.15 Uhr) einen Dokumentarfilm, der solche Allgemeinplätze hinterfragt. In der Produktion „Ich will – Frauen im Topmanagement“ lässt die Berliner Filmemacherin Marita Neher weibliche Führungskräfte aus drei großen europäischen Unternehmen zu Wort kommen. In eindringlichen Interviews berichten diese Frauen, worauf es bei ihrem Weg nach oben wirklich ankam – und wie sie Frauenquoten sehen. Da ist die französische Investment-Bankerin Fanny Letier, die sich selbst als eine Art „Gefühlsschwamm“ sieht – und darin eine ihrer größten Stärken ausmacht. Sie könne die Stimmungen ihrer Mitarbeiter schnell aufnehmen und dadurch besser führen, sagt sie. Da ist María Luisa de Contes, Generalsekretärin und Chefjuristin von Renault Spanien, die sich selbst als „autoritäre Frau“ bezeichnet, die die Menschen liebt, und die leidenschaftlich für eine Frauenquote in spanischen Unternehmen streitet. Und da ist die deutsche SAP-Managerin Anka Wittenberg, die nach der Trennung von ihrem Mann und trotz Kindern entschieden hat, ihre Karriere weiter voranzutreiben. Sie ist heute überzeugt: Das Nachahmen von „typisch männlichen Eigenschaften“ bringt nicht viel. „Ich brauche keine Frau, die sich so ganz unglaublich angepasst hat, sondern ich brauche schon diese Authentizität“, sagt Wittenberg in einer der zahlreichen Interview-Sequenzen, für die die Kamera den Protagonistinnen in Meetings, Limousinen und bis nach Hause folgt. Drei Frauen, drei unterschiedliche Karrieren.

Doch diese Beispiele täuschen natürlich nicht über die Realität hinweg: Frauen sind in europäischen Führungsetagen immer noch drastisch unterrepräsentiert. Nur 35 Prozent aller Führungskräfte in Firmen mit mehr als zehn Mitarbeitern sind weiblich – und diese Frauen verdienen knapp ein Viertel weniger als ihre männlichen Kollegen. Das hat die EU-Kommission zuletzt ausgerechnet.

An der Spitze der führenden europäischen Unternehmen sieht die Lage noch schlechter aus. Hier seien Vorstände und Geschäftsführung immer noch zu 84,2 Prozent mit Männern besetzt, heißt es in einer Einblende der Doku.

Woran das liegt? Eine allgemeingültige Antwort liefert der Film nicht. In Spanien gibt es keine Quote – in Frankreich und Deutschland hingegen hat sich seit deren Einführung die Situation etwas verbessert. Ganz ungeschoren kommen die Frauen selbst allerdings auch nicht davon: Anka Wittenberg von SAP erzählt von ihrer Erkenntnis, dass viele Frauen sich nur auf solche Stellen bewerben, deren Anforderungen sie zu 120 Prozent erfüllen. Männer wagten das schon bei 60 bis 80 Prozent. Außerdem falle es ihr selbst manchmal schwer, mit ihrer Verantwortung für das Unternehmen mit seinen knapp 80.000 Mitarbeitern weltweit klarzukommen. Sie habe das Gefühl, sagt Wittenberg, dass das Männern leichter falle. „Ich will“ ist ein unaufgeregter, schlichter Film, der ein vielstimmiges Bild der europäischen Arbeitswelt zeichnet. Flammende Appelle an die Frauen und ihr Selbstwertgefühl sind dabei, aber auch ernüchterte Chefs, die keine Bewerberinnen für Führungspositionen finden. Ganz klar ist am Ende des 53-Minüters nur eins: Die Gleichberechtigung im Beruf ist noch lange nicht erreicht – Quoten hin oder her. (dpa)