Friedensprozess in Kolumbien in stürmischer See

Die Unzufriedenheit mit dem Friedensvertrag mit den Farc-Rebellen hat den recht unbekannten Politiker Duque (Bild) ins höchste Staatsamt gespült. | afp

Juan Manuel Santos ist ein Mann mit ausgesuchten Manieren. Nach dem Wahlsieg von Iván Duque in Kolumbien ruft der Amtsinhaber seinen gewählten Nachfolger an, beglückwünscht ihn höflich zu seinem Erfolg und bietet ihm seine Hilfe bei einer geordneten Übergabe der Regierungsgeschäfte an. Dabei will Duque die Axt an Präsident Santos Lebenswerk legen – das historische Friedensabkommen mit der linken Guerillaorganisation Farc. Auf der ganzen Welt wurde der Friedensvertrag mit den Rebellen vor eineinhalb Jahren gefeiert, doch in Kolumbien selbst ist das Abkommen ausgesprochen umstritten. Präsident Santos wurde für die historische Einigung mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, zu Hause erhielt es nichts als Prügel und scheidet als einer der unbeliebtesten Staatschefs der Geschichte aus dem Amt. Die Vorteile des Friedensvertrags lassen sich nicht leugnen. Mit ihrer Unterschrift zogen Santos und Farc-Chef Rodrigo „Timochenko“ Londoño nach mehr als einem halben Jahrhundert einen Schlussstrich unter die Gewalt. In dem Konflikt waren mehr als 220.000 Menschen ums Leben gekommen und Millionen vertrieben worden. Die Farc haben inzwischen die Waffen niedergelegt und wollen künftig als politische Partei für ihre Ziele eintreten. Der Frieden hat allerdings seinen Preis. Für ihre schweren Verbrechen haben die ehemaligen Rebellen nach dem Vertrag nur mit relativ milden Strafen zu rechnen. Zudem erhalten sie für zwei Legislaturperioden zehn Sitze im Kongress garantiert. Das schmeckt nicht allen. Viele Kolumbianer wollen sich nicht damit abfinden, dass die Guerilleros nach all dem Leid, den Toten und der Gewalt nun fast ungeschoren davonkommen sollen.

Duque will nun einige Punkte im Friedensabkommen ändern. Vor allem soll festgeschrieben werden, dass die Farc-Mitglieder keine öffentlichen Ämter antreten können, solange sie ihre Strafen noch nicht verbüßt haben. „Wir werden den Vertrag nicht in Stücke reißen, aber wir werden sicherstellen, dass der Frieden allen Kolumbianern zugutekommt“, sagte er nach seinem Wahlsieg. „Wir werden Korrekturen vornehmen, damit die Opfer wirklich im Mittelpunkt stehen und wir Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und keinen Rückfall haben.“ Allerdings könnten selbst kleine Änderungen an dem über Jahre hinweg mühsam ausgehandelten Vertragstext die Ex-Rebellen wieder in den Dschungel treiben. Viele sind schon jetzt mit der Umsetzung nicht zufrieden. Sie werfen der Regierung vor, ihnen nicht ausreichend Schutz und Unterstützung bei der Rückkehr ins zivile Leben zu gewähren.

Noch hält die Führungsriege der Farc aber an der Einigung fest. „Wir werden das Abkommen verteidigen“, sagte der frühere Rebellen-Chef „Timochenko“ kürzlich in einem Interview der Zeitung „El Tiempo“. „Es gibt keinen Weg zurück.“ Der unterlegene Linkskandidat Gustavo Petro räumte am Sonntag seine Niederlage ein und kündigte eine entschlossene Opposition an: „Wir werden nicht zulassen, dass Kolumbien zum Krieg zurückkehrt.“ Allerdings sind viele Ursachen des Konflikts noch immer nicht gelöst. „Es gibt weiterhin eine sehr ungleiche Verteilung des Landes, Gewalt gegen soziale Aktivisten und eine weit verbreitete Straflosigkeit“, sagt Wola-Expertin Sánchez-Garzoli. Kriminelle Gruppe stoßen in die einstigen Territorien der Farc vor und übernehmen ihr Geschäft mit Drogenschmuggel, Erpressung und illegalem Bergbau. Tatsächlich hinterlässt Präsident Santos seinem Nachfolger eine ganze Reihe an Baustellen: Kriminelle Banden terrorisieren in vielen Landesteilen noch immer die Bevölkerung, das Wirtschaftswachstum bleibt hinter den Erwartungen zurück, das Verhältnis zum Nachbarn Venezuela ist zerrüttet. Vor allem aber wird Duque das Land nach dem polarisierenden Wahlkampf wieder einen müssen.

Die Wahl hat gezeigt, wie tief der Riss ist, der durch die Gesellschaft geht. „Ich werde alles tun für ein geeintes Land. Keine weiteren Spaltungen mehr“, sagte er in seiner Siegerede. „Ich kenne keine Feinde in Kolumbien, ich werde nicht mit Hass regieren. Ich will eine bessere Zukunft für alle Kolumbianer.“ (dpa)