„Feliz Navidad“ mit viel Turrón

Eine Kundin interessiert sich in Madrid für die spanische Süßigkeit, Turrón, die auf einer Auslage in einem Geschäft steht. | Carola Frentzen/dpa

Und die ältere Dame lässt sich die süße Delikatesse auf der Zunge zergehen. „Delicioso!“, köstlich, lautet ihr Urteil. Sie kostet auch noch „Orange-Marzipan“ und „Kokos“ – und macht sich dann mit fünf Tafeln der spanischen Spezialität auf zur Kasse des Madrider Fachgeschäfts „Torrons Vicens“. Weihnachtszeit ist Turrón-Zeit.

Zumindest in Spanien. Fast jeder Laden zwischen León und Sevilla hat dieser Tage Dutzende, ja Hunderte rechteckige Päckchen in den Auslagen gestapelt. In Spanien wird die traditionelle Leckerei aus Mandeln, Honig, Zucker und Ei – ähnlich wie Schokoladentafeln – meist in flachen Rechtecken verkauft.

Auch im Ausland erfreut sich das klebrige Konfekt mittlerweile steigender Beliebtheit, natürlich besonders gern als Mitbringsel aus dem Spanien-Urlaub. Aber längst wird Turrón auch exportiert, beliebte Absatzmärkte sind Lateinamerika, arabische Länder, Japan und Teile Europas. Keiner nascht allerdings so viel davon wie die Spanier selbst: Rund 46 Millionen Kilo werden pro Jahr konsumiert – das macht ein gutes Kilo für jeden Landesbürger. Unzählige Varianten des Plombenziehers sind auf dem Markt, wobei die Produzenten nun mehr und mehr auf spezielle Ernährungsbedürfnisse eingerichtet sind: Beim Turrón geht es längst nicht mehr nur um „duro“ (hart) oder „blando“ (weich), sondern etwa auch um zucker- und glutenfreie sowie vegane Versionen. Überhaupt, so werben Webseiten, soll der Turrón viel gesünder sein als sein Aussehen vermuten lässt – vor allem wegen des großen Anteils an Honig und Mandeln.

„Mandeln sind wegen ihres Nährwerts ein wesentlicher Bestandteil der mediterranen Ernährung, sie haben viele Proteine und Ballaststoffe und sind zudem reich an Magnesium, Eisen und Kalium“, sagen Experten. Honig hingegen ist reich an bioaktiven Stoffen und Antioxidantien. Puristen bevorzugen denn auch die ursprüngliche cremefarbene Variante der Festtagsleckerei ohne viel Schnickschnack. Dafür wird Honig erhitzt und mit Zucker gemischt, dann kommt Eiklar dazu. Das Zucker-Gemisch wird schließlich mit Mandeln angereichert und an der Luft getrocknet. Obwohl die Grundzutaten immer gleich sind, haben viele Hersteller ihr ganz persönliches Geheimrezept. Bei der Frage, wo Turrón herkommt, scheiden sich allerdings die Geister. Die Stadt Alicante an der Costa Blanca erhebt für sich den Anspruch, Ursprung der Kalorienbombe zu sein, gleichzeitig bezeichnet sich das nahe liegende Bergdorf Jijona als Geburtsstätte des zuckrigen Gaumenkitzels. Hier gibt es sogar ein „Museo del Turrón“, das die Geschichte und Herstellungsweise dokumentiert.

Jedoch ist der Turrón eigentlich noch viel älter – und aus Spanien kommt er auch nicht. Schon die alten Griechen, so heißt es, sollen eine Turrón-ähnliche Paste aus Nüssen, Mandeln und Honig zubereitet haben – als energiespendender Muntermacher für die Sportler bei den Wettkämpfen in Olympia. Allerdings gilt es den meisten Experten als sicher, dass es letztlich die Araber waren, die die Süßigkeit an die Küsten Spaniens brachten. Im 11. Jahrhundert erwähnte ein arabischer Arzt in seinem Traktat „De medicinis et cibis semplicibus“ (Von Heilmitteln und einfachen Speisen) einen „turun“. Im 16. Jahrhundert wurde Turrón dann bereits am Hof von Karl V. als beliebte Nachspeise gereicht.

Wo das Naschwerk nun herkommt, ist den meisten Spaniern egal. Spätestens, wenn es an Heiligabend in so leckeren Varianten wie „Sahne mit Walnüssen“ oder „Orangentrüffel“ auf den Tisch kommt, sind auch die Streitereien zwischen Alicante und Jijona vergessen. Wie sehr der Turrón zum Bestandteil der Festtage in Spanien geworden ist, ist auch an einem geflügelten Wort zu erkennen: Wenn ein Minister auf der Kippe steht oder ein Fußballtrainer vor dem Rausschmiss, dann sagen die Spanier: „Der wird seinen Turrón nicht mehr (im Amt) essen.“