Fans geben Millionen für Papierbilder aus

Auf einem Stickerbogen sind Nationalspieler im Unternehmen Panini zu sehen. | Lena Klimkeit/dpa



WM-Jahre sind Panini-Jahre. Auch vor der Fußballweltmeisterschaft in Russland sind beträchtliche Teile der Bevölkerung vom Sammelfieber ergriffen. Panini nennt keine Zahlen. Aber in Buch- und Zeitschriftenläden, an Kiosken und Tankstellen werden Abermillionen von Papieraufklebern mit den Fotos der WM-Spieler für die Sammelalben des italienischen Unternehmens verkauft. Forscher fragen sich: Warum sind Menschen bereit, Geld für ein eigentlich viel zu teures Produkt auszugeben?

Tatsächlich sind die Kosten noch ungleich höher, weil sich mit fortschreitender Vervollständigung des Albums die doppelten Aufkleber häufen.

Denn die Fans investieren in ihre Panini-Alben oft ein Vielfaches der Summe, die sie für ein vergleichbares Buch mit Spielerfotos ausgeben würden. Eine Beispielrechnung: Neunzig Cent kostet jede Tüte mit fünf Bildern, in jedes Album passen 682 Aufkleber, das ergibt Mindestkosten von 122 Euro für ein vollständig gefülltes Panini-Album. Tatsächlich sind die Kosten noch ungleich höher, weil sich mit fortschreitender Vervollständigung des Albums die doppelten Aufkleber häufen.

Füllen eine Million Fans ihre Alben, brauchen sie dafür 682 Millionen Bilder – entspricht einem Mindestumsatz von gut 122 Millionen Euro. In den Hochzeiten produziert Panini in der Firmenzentrale in Modena für den weltweiten Vertrieb täglich sieben bis acht Millionen Tüten.

„Man lernt alle Spieler kennen, und es macht Spaß zu sammeln“, erklärt der zwölf Jahre alte Münchner Schüler Felix, der mit Hilfe der Aufkleber die Körpergröße prominenter Fußballstars auswendig gelernt hat – Cristiano Ronaldo 1,87 Meter, Manuel Neuer 1,93.

Doch sammeln keineswegs nur Minderjährige. Viele Erwachsene bewahren sich das Sammelfieber aus der Kindheit: „Für mich ist der Reiz, in einigen Jahren wieder hineinschauen zu können“, sagt Wolfgang Franke, als Controller in einem oberbayerischen Forschungszentrum Fachmann fürs Geld.

Verena Hüttl-Maack, Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hohenheim, nennt vier mögliche Gründe, warum die Fans so viel Geld ausgeben. „Ein Faktor könnten die Nostalgie und die Erinnerung an die eigene Kindheit sein. Ein zweiter der sogenannte Ikea-Effekt: Die Leute halten einen Tisch für wertvoller, den sie selbst zusammengebaut haben, als wenn er ihnen fertig zusammengesetzt vor die Nase gesetzt wird“, sagt die Wissenschaftlerin. „Die eigene Leistung lässt die Sache wertvoller erscheinen.“

Der dritte Effekt sei der reine Spieltrieb, die Neugierde beim Öffnen einer Tüte. „Es ist nachgewiesen, dass die Auflösung der Neugierde positive Emotionen erzeugt, auch wenn das Resultat am Ende gar nicht so großartig ist. Man empfindet eine Art Belohnungseffekt.“

Das sieht Felix Klimm ebenso. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Verhaltensökonomik und experimentelle Wirtschaftsforschung an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität erklärt das Motiv: „Allein die Erwartung, dass Marco Reus in der Tüte sein könnte, freut jeden Fan ungemein.“ Und auch der soziale Effekt könnte eine Rolle spielen. „Die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, wenn ganz viele Menschen die Bilder sammeln“, nennt Hüttl-Maack als weiteren Grund.

Letzteren Effekt lernen vor allem Eltern kennen. Die Kinder üben daheim Druck aus, damit Mama und Papa das nötige Kleingeld locker machen. „Wenn in einer Klasse viele Kinder ein Panini-Album haben, kann der Wunsch nach einem eigenen Album sehr groß sein für die, die nicht sammeln“, meint Klimm.

Beim Sammeln der Panini-Aufkleber spielten sowohl soziale als auch individuelle Aspekte eine Rolle, sagt der Münchner Wirtschaftswissenschaftler. Der Gruppendruck ist nicht die einzige soziale Komponente, dazu zählt auch „das Tauschen von Stickern, welches Nutzen stiften kann“. Das Sammeln an sich sei oft eine individuelle Motivation, wie man auch beim Briefmarkensammeln sehe. „Hinzu kommt die Stückelung des Preises“, sagt Klimm. „Der ist auf die einzelnen Tüten aufgeteilt, sodass viele die Gesamtkosten nicht überblicken.“ Müsste man den Preis für ein komplettes Album auf einmal bezahlen, würden es wenige kaufen – „aber in vielen kleinen Häppchen bezahlen die Leute den relativ hohen Preis dann doch“.

Das Geschäftsmodell funktioniert offensichtlich prächtig. „Seit den Werksanfängen in den Siebzigern hat Panini in Modena schätzungsweise 25 Milliarden Tütchen produziert“, berichtet ein Sprecher. Mittlerweile ist Panini zu einer WM in mehr als 130 Ländern präsent. Größter Einzelmarkt ist das fußballverrückte Brasilien. Und die Preise steigen von WM zu WM kräftig. 2014 kostete eine Tüte noch 60 Cent. „Sobald der Beutel Sticker über einen Euro kostet, höre ich auf“, meint Panini-Sammler Franke. (dpa)