Elbphilharmonie: „Für alle eine einmalige Zeit“

Am 11. Januar 2017 wurde die Elbphilharmonie in Hamburg mit einem Konzert eröffnet. Sie ist inzwischen zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden. | Markus Scholz/dpa

Seit einem Jahr begeistert die Elbphilharmonie die Besucher. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die erste Saison im neuen Konzerthaus zurück?

Durchaus mit Glücksgefühlen. Besser hätte es nicht laufen können. Das war für alle Beteiligten eine einmalige Zeit. Dass ein Haus so schnell von Null auf Hundert fährt, so schnell weltweit Anerkennung findet, so schnell Rekorde bricht, und vor allem Besucher wie Künstler so begeistert, dass auch alle wiederkommen wollen – das wird sich nicht so schnell wiederholen.

Was macht die Faszination der Elbphilharmonie aus?

Ich glaube, es ist das Gesamtpaket aus genialem architektonischen Entwurf, dem gelungenen Innenausbau, dem symbolischen Standort mitten in der Elbe zwischen Hafen und Stadt, der grandiosen Aussicht und zwei hervorragenden Konzertsälen mit einer tollen Akustik und einem guten Programm. Es kommen also einige Faktoren zusammen.

Kann denn die Akustik mit der Architektur mithalten?

Ja, unbedingt. Die Akustik der Säle ist auf jeden Fall top, gar keine Frage. Der große Saal ist ein besonderer Fall, ein Präzisionsinstrument, an das sich manche Dirigenten und Orchester erst gewöhnen müssen. Aber wir haben mittlerweile in jedem Repertoire genügend hervorragend klingende Konzerte erlebt, sodass man sagen kann: einer der spannendsten Säle der Welt.

Es ist aber auch eine Tatsache, dass man im großen Saal alles hört. Das spiegelt auch die Qualität des jeweiligen Orchesters wider. Sehen Sie das auch so?

Dass man alles hört, ist fantastisch. Weil man viele Meisterwerke so erfassen kann, wie es in anderen Sälen überhaupt nicht möglich ist. Die Kehrseite ist, dass man auch genau hört, wenn nicht so toll gespielt wird. Dann sind auch die Geräusche im Publikum deutlicher zu hören.

Die Nachfrage nach Karten war überwältigend. Viele Menschen waren verärgert, weil sie leer ausgingen. Ist das immer noch so?

Ja, die Nachfrage ist noch immer so hoch. Es stimmt zwar nicht, dass die Elbphilharmonie auf Jahre ausverkauft ist, denn es kommen laufend neue Konzerte dazu. Bei den allermeisten Konzerten ist es allerdings immer noch so, dass sie in kürzester Zeit ausverkauft sind. Optimal ist das nicht, denn wir wollen ja niemanden verärgern. Ich möchte wirklich, dass jeder die Chance hat, ein Konzert seiner Wahl zu erleben.

Wie wollen Sie dafür sorgen, dass die Karten für Veranstaltungen gerechter verteilt werden?

Wenn wir eine besonders große Nachfrage erwarten, wie zum Beispiel zu Silvester, aktivieren wir ein zweistufiges Vergabeverfahren: Erstmal können alle in Ruhe Karten bestellen und danach wählt der Computer per Zufall aus, wer Tickets bekommt. Das macht den Käufern weniger Stress, weil man sich nicht lange anstellen oder pünktlich vor dem Computer sitzen muss, aber man hat auch nicht die Sicherheit, dass man eine Karte bekommt. Das findet der größte Teil des Publikums trotzdem gerechter und angenehmer.

In den Eröffnungswochen gab sich das „Who is Who“ der Klassikszene die Klinke in die Hand. Wie wollen Sie das Niveau in Zukunft halten?

Das Niveau definiert sich nicht über Starnamen, sondern über die Qualität des alltäglichen Programms. Ich glaube, da können wir schon recht stolz auf das erste Jahr sein, aber es kann immer noch besser werden. Ich mache mir da überhaupt keine Sorgen, denn wir haben viele spannende Projekte im Köcher. Außerdem war eine ganze Reihe spannender Künstler noch nicht in der Elbphilharmonie und diejenigen, die schon da waren, freuen sich darauf, wieder zu kommen.

Wie lange, glauben Sie, wird der Hype um die Elbphilharmonie noch anhalten?

Die Elbphilharmonie wird noch viele Jahre sehr gefragt sein. Aber diese enorme Nachfrage, die das Angebot um ein Zigfaches übersteigt – vielleicht noch ein, zwei Jahre.

Glauben Sie, dass die Elbphilharmonie die Klassikszene in ganz Deutschland beflügelt hat?

Das scheint so zu sein. Die Elbphilharmonie hat weit über Hamburg hinaus Wellen geschlagen, weit über Deutschland hinaus. Viele Kollegen von anderen Konzerthäusern berichten, dass die Elbphilharmonie ein großes Thema ist – sowohl bei den Künstlern, als auch beim Publikum. Ich glaube aber auch, dass die Zeit gerade gut für die Kunst ist. Es ist eine Phase der Unsicherheit, dafür ist Kunst ja auch da, um Antworten zu geben und die Menschen auf andere Gedanken zu bringen.

Seit dem Jahr 2007 ist der gebürtige Wiener Christoph Lieben-Seutter (53) Intendant der Elbphilharmonie und der Laeiszhalle Hamburg. Im Sommer 2016 wurde sein bis Mitte 2018 laufender Vertrag um drei Jahre bis zum Ende der Saison 2020/2021 verlängert. Lieben-Seutter ist mit der Librettistin und Schauspielerin Theresita Colloredo verheiratet. Das Paar hat drei Töchter.