Eine große Beruhigungspille und Veränderung in kleinen Schritten

ÖVP-Bundesparteiobmann Sebastian Kurz (r.) und FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache bei der Pressekonferenz in Wien im Rahmen der Präsentation des Koalitionsabkommens. | Roland Schlager/APA/dpa

Manche Botschaften der Neu-Koalitionäre richteten sich gezielt ans Ausland. Die vielleicht wichtigste: Ein „Öxit“, also ein Austritt Österreichs aus der EU, ist auch per Volksabstimmung nicht möglich. Österreichs ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat der rechten FPÖ ein unmissverständliches Bekenntnis zur EU abgerungen.

„Das muss man akzeptieren“, meinte der FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache bei der gemeinsamen Präsentation des 180-seitigen Bündnispakts „Zusammen. Für unser Österreich.“ am Samstag in Wien. Im nicht allzu fernen Prag bekräftigten fast zu gleicher Stunde andere Rechtspopulisten Europas dagegen ihre tiefe Abneigung gegen Brüssel. Die FPÖ kann sich anders als ihre Gesinnungsgenossen aus Frankreich und den Niederlanden als künftige Regierungspartei aber nicht mehr mit wütender Rhetorik profilieren.

In Österreich beginnt mit dem Abschluss des Koalitionspaktes zwischen konservativer ÖVP und rechter FPÖ ein fünfjähriges Experiment: Können Rechtspopulisten verantwortlich Politik machen? Der Pakt ist deutlich mehr evolutionär als revolutionär.

Dabei lautete der erfolgreiche Slogan von ÖVP-Chef Sebastian Kurz im Wahlkampf wolkig-unscharf „Zeit für Neues“. Daraus wurde nach sieben Wochen Koalitionspoker ein „Österreichs kann’s besser“ (Kurz) oder in den Worten von Strache: „Wir wollen viele kleine Schritte in die richtige Richtung gehen.“

Dazu gehören Rezepte aus der Vergangenheit (Schulnoten in der Grundschule) gemischt mit wirtschaftsliberalen Ideen vom schlankeren Staat. Dazu kommt eine Prise mehr direkte Demokratie und der erwartbare noch schärfere Anti-Migrationskurs. Anerkannte Asylbewerber sollen mit rund 365 Euro plus 155 Euro Integrationsbonus rund 300 Euro weniger erhalten als heute zum Beispiel in Wien üblich. Wer als Flüchtling noch nicht als asylberechtigt anerkannt ist, soll fast nur noch Sach- statt Geldleistungen erhalten.

Die FPÖ ist nun wesentlich besser auf die Regierungsarbeit vorbereitet als beim ersten ÖVP-FPÖ-Pakt im Jahr 2000. Damals war in nur einer Woche ein Programm zusammengeschustert worden. Die Regierungsbeteiligung entwickelte sich für die Rechtspopulisten unter ihrem damaligen Chef Jörg Haider zum Desaster. Dass es diesmal anders wird, daran hat auch der 31-jährige Kurz ein Interesse. Er will als jüngster Regierungschef Europas so wenig interne Reibungen wie möglich. Beide Seiten verpflichteten sich zu einem neuen Stil im Umgang miteinander.

Das Programm erschüttere die Republik nicht, meinte Politikberater Thomas Hofer. „Das sind eher kleine Lichter als Leuchttürme. Die ganz großen Würfe sind ausgeblieben.“ Für gewisses Aufsehen sorgte, dass die FPÖ den Innen-, den Außen- und Verteidigungsminister stellt. Allerdings ist mit der Nahost-Expertin Karin Kneissl eine Ministerin im Außenamt, die kein Parteibuch der FPÖ hat.

Kurz hat sich eine Auskunftspflicht aller in diesen Ressorts beheimateten Geheimdienste an ihn als Bundeskanzler ausbedungen, um selbst bestimmte Fäden in der Hand zu halten. Dazu gehört auch, dass er die EU-Agenden mit ins Kanzleramt nimmt. Die ÖVP-FPÖ-Regierung, die am Montag vereidigt werden soll, wird von den sehr guten Wirtschaftsaussichten profitieren. Der Aufschwung, der mit mehrjähriger Verspätung nun auch in Österreich herrscht, wird manche Budgetfragen leichter machen. Allerdings will sich die Regierung von den guten Konjunkturaussichten nicht blenden lassen und hat sich Ausgabendisziplin verordnet. Der große Nachbar Deutschland, der aktuell mehr Geld einnimm, t als ausgibt, ist für Kurz ein Vorbild. Mit einem erfolgreichen Start wollen Konservative und Rechtspopulisten auch im Superwahljahr 2018 in vier Landtagswahlen punkten. Der Rechtsruck vom Oktober könnte sich dann fortsetzen. Und der einstige FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer, der jetzt Infrastrukturminister wird, hat seine Ambition auf die Hofburg nicht aufgegeben. Er will das nächste Mal wieder antreten. (dpa)