Eine europäische Ur-Katastrophe vor 400 Jahren

Die schwedische Armee unter dem schwedischen Feldmarschall Johan Banér und dem schottischen Feldmarschall Alexander Leslie suchte die Entscheidungsschlacht gegen das zahlenmäßig überlegene kaiserlich-kursächsischen Heer unter Generalfeldmarschall Melchior von Hatzfeld und Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen. Dennoch siegten die Schweden und schwedisch-schottische Einheiten trugen maßgeblich dazu bei. In seinem neuen Buch „Der Dreißigjährige Krieg. Eine europäische Tragödie“ beschreibt der britische Historiker Peter H. Wilson von der Universität Oxford diese völlig neue Dimension militärischer Auseinandersetzungen zwischen Söldnerheeren von Staaten, deren neues Nationalbewusstsein sich erst seit dem Spätmittelalter langsam herausgebildet hatte.

Zeugnis der Schlacht bei Wittstock ist übrigens ein im Frühjahr 2007 bei Bauarbeiten entdecktes Massengrab nördlich des Scharfenbergs. Die Grabgrube war ursprünglich etwa 6,0 auf 3,5 Meter groß. Darin wurden 125 Soldaten beigesetzt, von denen 88 noch in ihrer Originallage dokumentiert werden konnten. Es stellte sich heraus, dass die Toten in dem Grab aus aller Herren Länder des europäischen Kontinents kamen.

Dies deckt sich mit Befunden von Historikern, wonach beispielsweise nur ein geringer Teil der Obristen in der schwedischen Armee auch schwedischstämmige waren. So seien unter den 67 Generälen und Obristen der im Juni 1637 bei Torgau liegenden Regimenter nur 12 Schweden gewesen seien. Die anderen waren Deutsche, Finnen, Livländern, Böhmen, Schotten, Iren, Niederländer und Wallonen. Die kaiserlich-habsburgischen Truppen kamen entsprechend eher aus dem Süden Europas: Spanien etwa, Portugal oder Italien. Eine solche Dimension militärischer Auseinandersetzungen hatte Europa bis dahin noch nicht gekannt. Genaue Opferzahlen lassen sich nicht mehr ermitteln. Angenommen wird, dass von der Gesamteinwohnerzahl des Heiligen Römischen Reiches (Deutscher Nation) von etwa 18 Millionen Menschen im Jahre 1618 etwa ein Drittel ihr Leben direkt durch Kriegshandlungen oder indirekt durch Seuchen oder Krankheiten verloren.

Manche Landstriche waren mehr, manche weniger betroffen. So verlor Magdeburg bei seiner Zerstörung 1631 (Magdeburger Hochzeit) fast alle Einwohner, während Hamburg kaum von den Kriegswirren betroffen war und zur großen Handelsstadt aufblühte.

Wilson stellt die Entwicklung vor, während und nach der deutschen und europäischen Katastrophe im Kampf um Religion und Macht umfassend dar. Und er beschreibt die politisch-konfessionelle Landkarte Europas im 17. Jahrhundert detailreich. Es ist ein Standardwerk und geradezu ein Muss für alle, die sich für Geschichte im allgemeinen und für diese Epoche im besonderen interessieren. Zudem ist es spannend geschrieben und auch gut übersetzt, so dass es für Wissenschaftler ebenso ein Vergnügen ist zu lesen wie für interessierte Laien. (dpa)