Die Widerparts zu Vincent van Gogh in Bonn


Die wässrigen Augen, die geäderte Haut, der buschige Schnäuzer – nein, Otto von Bismarck war keine Schönheit. Aber man könnte vielleicht sagen, dass er bei aller Hässlichkeit die respekteinflößende Majestät eines Walrosses besaß. Den „Reichs-Koloss“ nannte ihn der Maler Franz von Lenbach, der ihn mehr als 80 mal porträtierte. In Uniform und in Zivil, mit Dogge und ohne. Bismarck war nicht der einzige Promi, der für Lenbach posierte: Sogar der Papst saß ihm Modell. Dadurch wurde der Maler selbst zu einem Star der feinen Gesellschaft. Mit solchen „Malerfürsten“ beschäftigt sich jetzt die Bundeskunsthalle in Bonn. Es ist eine fulminante Schau, so groß wie andernorts ein ganzes Museum. Dennoch wird gerade der eine oder andere Kunstbeflissene zunächst sagen: Was, eine Ausstellung zu Lenbach? Wie kitschig! Denn Lenbach (1836-1904) und andere Malerfürsten wie Franz von Stuck (1863-1928) und Friedrich August von Kaulbach (1850-1920) waren keine Avantgarde-Künstler oder Erneuerer. Man könnte sagen, sie waren ungefähr das Gegenteil ihres Zeitgenossen Vincent van Gogh: Den beachtete zeitlebens kaum einer, er verkaufte nur wenige Bilder und starb arm, jung und verkannt. Heute aber liebt ihn die ganze Welt. Ganz anders Lenbach & Konsorten: Sie wurden später vergessen, aber zeitlebens waren sie Berühmtheiten und Multimillionäre. „Sie sind celebrities des 19. Jahrhunderts, Teil der High Society“, sagt Kuratorin Katharina Chrubasik. Den Särgen dieser Maler folgten Massen von trauernden Verehrern.

Die Ausstellung in der Bundeskunsthalle will die Malerfürsten wiederentdecken – weniger als Maler denn als Inszenierungskünstler. Als solche waren sie ihrer Zeit durchaus voraus. Der riesige Erfolg fiel Lenbach nicht in den Schoß: Er war das dreizehnte Kind eines Schrobenhausener Maurermeisters. Seine niedere Herkunft verleugnete er nicht, so wie zahllose andere Künstler vor ihm, sondern bekannte sich offensiv dazu. Der Selfmademan amerikanischen Zuschnitts wusste dadurch gerade die aristokratische Gesellschaft zu beeindrucken. Der bayerische „Märchenkönig“ Ludwig II. erhob ihn in den Adelsstand.

Die Ausstellung zeigt, wie geschickt sich die Malerfürsten in Szene setzten: Sie schufen Gemälde in imposanten Formaten, leuchteten diese aufwendig aus und schickten sie auf Tournee, sodass sie mitunter von Hunderttausenden Menschen gesehen wurden. Sie ließen sich sehr oft fotografieren, häufig in fantasievollen Kostümen. Sie vermarkteten Frau und Kinder, öffneten ihre Villen für Besucher, stellten Postkarten her, gaben Zeitschriften-Interviews. Sie hielten große Shows ab – damals Aufzüge oder Künstlerfeste genannt – sie provozierten bewusst mit Skandalbildern, um Schlagzeilen zu machen. All das verleihe den Malerfürsten des ausgehenden 19. Jahrhunderts große Aktualität, sagt Kuratorin Chrubasik.

Wobei heute wohl kein Künstler mehr als Malerfürst bezeichnet werden will. Markus Lüpertz, der mitunter so tituliert wird, hasst den Begriff: „Widerlich“ sei das, kommentierte er vor einiger Zeit. „Das hat die Presse erfunden und schiebt es mir jetzt in die Schuhe.“ Franz von Lenbach hätte damit kein Problem gehabt. (dpa)