Die Hafencity kommt langsam in der Hansestadt Hamburg an

Von der Elphi-Plaza hat man einen guten Überblick über die Hansestadt. | Verena Wolff/dpa

Wenn Frank W. Jacob aus seinen bodentiefen Wohnzimmerfenstern schaut, dann fällt ihm eine ganze Reihe von Geschichten ein. Von der Sandwüste, die da um ihn herum war, 2004, als er in seine Wohnung einzog, als erster Bewohner in der Hamburger Hafencity. Von den Bauarbeitern, die in aller Früh anfingen und am Abend wieder abzogen. „Allzu viel Leben war hier nicht zu erkennen“, sagt der Jurist. Keine Straßen, keine Geschäfte, keine Menschen.

Auf dem Kaispeicher A wurde von 2007 an die Elbphilharmonie gebaut.

Irgendwo mittendrin stand noch ein altes Häuschen, das damals schon seit fast 150 Jahren am selben Ort war: das alte Hafenamt. Und da waren die Kaispeicher A und B – auf den ersten wurde von 2007 an die Elbphilharmonie gebaut, im anderen ist heute das Internationale Maritime Museum Hamburg untergebracht.

Jacob sah nach und nach in allen Himmelsrichtungen Baustellen. Nur auf der anderen Seite des Sandtorkais, da war Ruhe. Denn dort hatte man vor mehr als 100 Jahren schon die Speicherstadt gebaut: rote Backsteine, eine Zeile von Häusern, die vom Wasser aus zu erreichen ist und in der die Händler jahrzehntelang ihre Waren von den Schiffen in die Kontore lieferten. Inzwischen ist das Ensemble ein Teil des Unesco-Welterbes. In den Kontoren werden weiterhin Teppiche aus dem Iran und Gewürze aus noch ferneren Ländern gelagert. Doch zum Beispiel der Kaffee- oder der Teehandel ist inzwischen schon lange nicht mehr physisch – alles passiert virtuell, vom Computer aus.

Südlich der Speicherstadt hat sich also ein ganz neuer Stadtteil ausgebreitet – oder besser: Er ist dorthin geplant worden. Arbeiten und Wohnen, Schule, Shoppen und Schiff fahren – denn auch Kreuzfahrtschiffe können am Überseequartier anlegen. Dazu steht ein Provisorium am Ufer der Elbe, direkt neben einer riesigen Baugrube. Sie ist das Areal, auf dem ein großes Einkaufsviertel entstehen soll mit Wohnungen, Hotels und eben dem künftigen Terminal, in dem die Kreuzfahrtpassagiere ein- und aussteigen können.

Immerhin: Die Wege sind schon da. Die neue U-Bahn-Linie U4 fährt vom Jungfernstieg aus auf schnellstem Weg zum Überseequartier und der HafenCity Universität, ein paar Minuten dauert das nur. Und dann steht man in kunstvoll schummerig beleuchteten und überhaupt künstlerisch gestalteten Haltestellen, die tief unter der Erde liegen – am Abend und an den Wochenenden mitunter ganz allein, denn so ganz ist dieser neue Stadtteil noch nicht im Bewusstsein aller Hamburger angekommen, die in den anderen 103 Stadtteilen leben. Es sei denn, sie besuchen die Elbphilharmonie. Doch das ist oft leichter gesagt als getan – die Karten sind auf lange Zeit ausverkauft. Man versucht aber, den Hansestädtern eine Chance zu geben, wie Enno Isermann, der Sprecher der Kulturbehörde, sagt. Es gibt in der Elbphilharmonie Konzerte nur für Besucher, die nachweisen können in Hamburg zu leben.

Auch die Plaza in der Elphi, wie das markante und viel kritisierte Bauwerk des Architektenduos Herzog und de Meuron inzwischen liebevoll genannt wird, erfreut sich größter Beliebtheit, bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen. Mehr als sieben Millionen Besucher haben sich von dort aus schon einen Überblick verschafft über die Stadt. Das geht auch ohne Konzertkarte. Die Fahrt mit der einst längsten Rolltreppe Europas ist kostenlos, sie bringt die Besucher in ein paar Minuten auf die Plaza – auf das Dach des ehemaligen Kaispeichers A. Darauf haben die Schweizer Architekten ihren futuristischen Glaskörper gesetzt, weitere 18 Stockwerke hoch.

Frank W. Jacob hat die Elphi immer im Blick, von seinem verglasten Wohnzimmer aus kann er jeden Tag die Sonne hinter dem Gebäude verschwinden sehen. Um ihn herum gibt es keine Bagger und Kräne mehr – nur noch die entlang des Wassers, die die Geschichte des früheren Industriegebiets wieder aufgreifen und jetzt nur noch Zierde sind.

Ein paar Straßen weiter, in der Osakaallee, ist auch das „Alte Hafenamt“ endlich richtig als Hotel in Betrieb. Denn kaum war das denkmalgeschützte Haus saniert, restauriert und innen schick und gemütlich als Hotel eingerichtet, gab es erstmal einen Wasserschaden und ein Feuer. Einen Hausgeist namens Josef habe man hier, munkeln sie – der sei für derlei Unglücke verantwortlich.

Ob das stimmt, kann Britta Kleweken nicht so genau sagen. Fest steht aber, dass das alte Amtsgebäude im Hafen ein spannendes Projekt war. „Hier sind früher die Kapitäne aus aller Welt ein- und ausgegangen“, erzählt die Innenarchitektin. Diese Atmosphäre der Weltoffenheit habe man erhalten wollen. Drinnen findet man ein Sammelsurium von Mitbringseln aus aller Welt, kein Zimmer, das einem anderen gleicht – und eben den Hausgeist, von dem sie hoffen, dass er jetzt Ruhe gibt.

Wie das „Alte Hafenamt“ ist der Westteil der Hafencity überwiegend fertig. Nun dehnt sich der neue Stadtteil nach und nach Richtung Osten aus, bis zu den Elbbrücken. „Schlusspunkt wird dort der 235 Meter hohe Elbtower sein, der vom britischen Architekten David Chipperfield geplant wurde“, sagt Susanne Bühler, Sprecherin der HafenCity Hamburg GmbH. Baubeginn für den Turm soll 2021 sein. (dpa)