Die AfD feiert - Deutschlands Denkzettel-Partei im Freudentaumel

Alexander Gauland (Zweiter von links) bei seiner Ansprache nach dem Wahlsieg der AfD. | afp

„Wir werden die Regierung vor uns her treiben“, ruft AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland. Und dass sie Deutschland verändern wollen. Seine Parteifreunde jubeln. Sie rufen „Gauland, Gauland“ und singen die deutsche Nationalhymne. Als Neuling mit einem zweistelligen Wahlergebnis in den Bundestag einzuziehen – das hat in der Geschichte der Bundesrepublik noch keine Partei geschafft. Den Grünen gelang der Sprung ins Parlament 1983 mit 5,6 Prozent. Gauland, der ehemalige CDU-Staatssekretär aus Hessen, ist kein ausgelassener Typ.

Die AfD: Retro-Partei, die gerne die „gute alte Zeit“ beschwört.

Während die anderen AfD-ler übermütig Luftballons in den Parteifarben durch den Saal werfen, mahnt er, man solle jetzt trotz der großen Freude, vor den Kameras „bitte keine Sprüche, die uns später auf die Füße fallen können“, klopfen. Denn da draußen seien viele, die nur darauf aus seien, die AfD in irgendwelche „rechte Ecken“ zu stellen. Dass es neben den mehr oder weniger bürgerlichen Protestwählern auch Menschen aus eben diesen „rechten Ecken“ gibt, die sich der AfD verbunden fühlen, verschweigt er. Für ihre Wahlparty hat sich die AfD einen Berliner Club am Alexanderplatz ausgesucht, der vom Look her an die Zeiten erinnert, als solche Tanzlokale noch „Diskothek“ genannt wurden. „Die Gäste, die hier normalerweise tanzen, sind im Schnitt über 40“, sagt die junge Frau hinter der Garderobe. Das passt. Schließlich ist die AfD eine Retro-Partei, die gerne die „gute alte Zeit“ beschwört.

Draußen vor dem Gebäude demonstrieren AfD-Gegner mit Trillerpfeifen. Drinnen auf der Bühne steht jetzt Partei-Vize Beatrix von Storch neben Gauland. Auch sie wird demnächst im Bundestag sitzen. Hinter den Kameraleuten und Fotografen stehen ihr Ehemann und ihre Mutter. Die Mutter sagt, das sei jetzt ein gutes Ergebnis für die Partei. Und dass ihre Tochter dafür auch „hart gearbeitet“ habe.

Die zwei anderen Frontfrauen der AfD sind noch nicht da: Spitzenkandidatin Alice Weidel und Parteichefin Frauke Petry. Für Petry ist das kein einfacher Tag. Die Parteichefin hatte auf die Spitzenkandidatur verzichtet. Jetzt haben andere ein Ergebnis eingefahren, von dem die Partei vor zwei Jahren nur träumen konnte. In so einer Situation wird es für sie schwer sein, sich für den Fraktionsvorsitz oder für die Wahl der neuen Parteispitze im Dezember in Stellung zu bringen. Ein bisschen steht sie jetzt schon so da wie AfD-Gründer Bernd Lucke, der einst zusehen musste, wie Petry mithilfe des rechten Parteiflügels an ihm vorüberzog.

Schwierig werden die kommenden Wochen auch für die Politiker der etablierten Parteien. Sie werden sich an eine neue Stimmung im Bundestag gewöhnen müssen, an Tabubrüche und vielleicht auch an Störmanöver. Das zeigen die Erfahrungen mit der AfD in 13Landesparlamenten.

Wer sich davon aus der Fassung bringen lässt, hat im Prinzip schon verloren. Denn nichts stärkt den inneren Zusammenhalt dieser von Richtungskämpfen und Personalquerelen gebeutelten Partei so sehr wie Angriffe von außen. Das zeigen auch die Reaktionen auf die Ergebnisse der anderen Parteien. Das CDU/CSU-Ergebnis quittieren die Besucher der AfD-Wahlparty mit Freude. Das schwache Abschneiden der SPD entfacht Begeisterungsstürme. „Eine gute Nachricht für Martin Schulz – die SPD bleibt zweistellig“, witzelt ein AfD-ler. Es gibt dröhnendes Gelächter. (dpa)