Bist du (noch) nicht Italiener?

Ian Ssali ist mittlerweile Italiener - er hofft dennoch auf eine Änderung des Einbürgerungsgesetzes. | Lena Klimkeit/dpa

Und trotzdem musste er 18 Jahre warten, bis er sich durch den Bürokratiedschungel schlagen durfte, um am Ende auf dem Papier bestätigt zu haben, dass er auch wirklich Italiener ist. Die regierenden Sozialdemokraten in Italien wollen durchsetzen, dass Kinder von Migranten früher die italienische Staatsbürgerschaft erhalten und nicht erst wie Ssali mit 18 Jahren und nur, wenn sie aktiv beantragt wird.

Seit Jahren wird über das Einbürgerungsgesetz diskutiert, das vorsieht, dass automatisch nur Italiener wird, wer mindestens einen italienischen Elternteil hat. Es ist das Prinzip der Blutsverwandtschaft – das „ius sanguinis“, das Recht des Blutes. Der Gesetzentwurf, der bereits von der Abgeordnetenkammer abgenickt wurde, aber über den die Parteien im Senat derzeit erbittert streiten, räumt dem „ius soli“, dem Recht des Bodens, eine größere Bedeutung ein.

Längst ist in Italien Wahlkampf – mitten in der Flüchtlingskrise, unter der das Mittelmeerland besonders ächzt.

Ein Kind, das in Italien geboren wird, soll automatisch Staatsbürger sein, wenn sich mindestens ein Elternteil mindestens fünf Jahre legal in dem Land aufgehalten und das Kind mindestens fünf Jahre die Schule absolviert hat. Kommt der Elternteil aus einem Staat außerhalb der EU, kommen weitere Anforderungen wie eine bestimmte Einkommenshöhe hinzu.

Aus Sicht der Oppositionsparteien, allen voran der ausländerfeindlichen Lega Nord, geht das zu weit. „Die Staatsbürgerschaft kriegt man nicht geschenkt“, sagen sie und werfen den Sozialdemokraten vor, sich mit der Reform Stimmen der Migranten bei der Parlamentswahl sichern zu wollen.

Längst ist in Italien Wahlkampf – mitten in der Flüchtlingskrise, unter der das Mittelmeerland besonders ächzt. Die Politiker der rechtsgerichteten Parteien vermischen die Debatte um die Neuankömmlinge mit der um die zweite Generation der Zugewanderten. „Mit der Migration wird ein Spiel gespielt“, sagte Innenminister Marco Minniti vor einigen Tagen.

„Es gibt Leute, die sagen, Migration ist gleich Terrorismus, aber diese Gleichung ist falsch. Es gibt dagegen einen Zusammenhang zwischen Terrorismus und Integration. Ein gut integrierendes Land ist ein sichereres Land.“

Sprich: Die Regierung in Rom hofft, dass sich die Gesetzesänderung positiv auf die Integration auswirkt, möglicherweise junge Leute sogar vom Abdriften in die radikale Szene abhält. Denn die derzeitige Gesetzgebung wird von vielen als diskriminierend empfunden – auch von Mohamed Abdalla Tailmoun und Marwa Mahmoud. Die 32-Jährige wurde in Ägypten geboren, kam aber als Kleinkind mit ihren Eltern nach Italien.

An ihr Leben in Ägypten erinnert sie sich kaum. Ebenso geht es dem Libyer Tailmoun, der seit 39 Jahren in Italien lebt, er kam mit fünf Jahren her. Noch immer hat er keinen italienischen Pass. „Und das, obwohl ich an Italien denke, wenn ich sage: Ich gehe heim.“

In Italien könnte sich für Zehntausende Menschen einiges verändern, wenn der Gesetzentwurf am Ende durchkommt. So auch für den kleinen Jibrill, der den Fußballclub AS Rom liebt, Basim, der sich längst als italienischer Bürger fühlt, oder Numayer, der sagt: „Ich verhalte mich wie die anderen und werde auch so behandelt wie die Italiener.“ Die Kinder treten in einem Internetvideo auf, das „La Repubblica“ produzierte und Italiener mit Fragen wie dieser rührte: „Was soll das heißen, Nationalität?“ (dpa)