Neue Standortmarke für Ostbelgien

Der Name Deutschsprachige Gemeinschaft bleibt auch in Zukunft erhalten, aber das Kürzel „DG“ verschwindet aus der Kommunikation. | Ralf Schaus


„Wir wissen, dass das Kürzel DG sich nicht für eine gute Außendarstellung unseres Standortes eignet. Darüber hinaus ist im Laufe der Jahrzehnte ein wahrer Logo-Dschungel entstanden. Eine solche Verzettelung ist nicht effizient“, bringt es Ministerpräsident Oliver Paasch (ProDG) auf den Punkt. Das Problem sei nicht nur die Assoziierung mit anderen Bezeichnungen, sondern auch die unterschiedliche Darstellung in Ostbelgien selbst: Denn zahlreiche Aktivitäten und Initiativen zur Regionalentwicklung wurden bislang unter verschiedenen Marken bzw. Markierungen geführt, kommuniziert und vermarktet. Es gab nämlich verschiedene Initiatoren oder Absender mit unterschiedlichen Motiven oder Schwerpunkten – eben je nach Zielgruppe.

Aus diesem Grund soll die Abkürzung DG komplett aus der offiziellen Kommunikation verschwinden. An die Stelle tritt dann die Bezeichnung Ostbelgien. Oliver Paasch verweist auf andere Gliedstaaten in Belgien, die ebenfalls unter einem anderen Namen kommunizieren oder mit einem kürzeren Begriff werben, der besser „hängen“ bleibt. Die Französische Gemeinschaft bezeichnet sich selbst als Föderation Wallonie-Brüssel, die Wallonische Region kurz als Wallonie und die Region Brüssel-Hauptstadt einprägsam als Brüssel. Es gibt auch zahlreiche Vorbilder im Ausland. So betreibt beispielsweise die Autonome Provinz Bozen mit dem gebräuchlicheren Namen Südtirol Werbung in eigener Sache.

Wir bleiben natürlich die Deutschsprachige Gemeinschaft. Das steht ja auch so in der Verfassung. Aber in der Außendarstellung stellen wir uns komplett unter das Dach Ostbelgien.

Ministerpräsident Oliver Paasch

Allerdings kommen auch die Kommunikationsstrategen in Eupen an der amtlichen Bezeichnung nicht vorbei: „Wir bleiben natürlich die Deutschsprachige Gemeinschaft. Das steht ja auch so in der Verfassung. Aber in der Außendarstellung stellen wir uns komplett unter das Dach Ostbelgien. Insofern gelingt es uns, die verfassungsrechtliche Wirklichkeit zu respektieren, gleichzeitig aber etwas Anderes an die Stelle von DG zu setzen“, sagt der Regierungschef.

Für die neue Standortmarke werden alle Register gezogen: Anderthalb Jahre haben die Vorbereitungen gedauert, seit 2015 wurde der Standort Ostbelgien mit Vertretern aus Wirtschaft und Gesellschaft zusammen mit der Agentur „Embassy“ analysiert. Knapp 100.000 Euro wurden dafür locker gemacht. Doch nicht nur die Kosten wurden im Vorfeld hinterfragt. Dass es eine deutsche Agentur war, mit der man dafür zusammenarbeitet, hat ebenfalls Kritik ausgelöst. „Dabei hätten wir sehr gerne mit einem ostbelgischen Unternehmen zusammengearbeitet, jedoch hat sich nach zweimaliger Ausschreibung niemand beworben“, betont Oliver Paasch.

Die Standortmarke Ostbelgien wird am Mittwochabend in St.Vith (Beginn: 18 Uhr) der Öffentlichkeit präsentiert. Die Veranstaltung versteht sich nicht nur als Startschuss, sondern auch als Aufruf an die Adresse von Unternehmer, Kulturakteuren oder Vereinigungen, sich der Marke anzuschließen. Im Zentrum Triangel wird erklärt, unter welchen Bedingungen dies passieren kann und welche Vorteile dies haben könnte. Das Angebot richtet sich ebenfalls an die neun deutschsprachigen Kommunen und an Unternehmen aus den direkt an die Deutschsprachige Gemeinschaft angrenzenden Gemeinden Bleyberg, Welkenraedt, Baelen, Weismes, Malmedy, Stavelot, Trois-Ponts, Vielsalm und Gouvy. Erste Gespräche wurden bereits aufgenommen. „Wir haben das Ganze für das Modell 9+9 schützen lassen. Insofern kann jeder mitmachen, der aus diesen 18 Gemeinden kommt.“

Doch warum braucht Ostbelgien überhaupt ein eigenes Standortmarketing? „Auch wenn wir sehr klein sind, müssen wir uns positionieren“, so Oliver Paasch. „Wir müssen als Region attraktiver werden, wenn wir den Auswirkungen des demografischen Wandels wirkungsvoll begegnen wollen.“ Das Schlagwort demografischer Wandel steht nicht nur für eine alternde Gesellschaft, sondern auch für eine relativ geringe Geburtenrate. Dies wirkt sich schon jetzt auf die Beschäftigung aus. So werden Arbeitnehmer aus den sogenannten Babyboomer-Jahrgängen in den nächsten Jahren aus dem Berufsleben ausscheiden und in den Ruhestand gehen – ohne, dass sie durch nachrückendes Arbeitspersonal entsprechend ersetzt werden können. „Wir haben nicht mehr genügend junge Menschen, die hier geboren werden, um diejenigen zu ersetzen, die in Rente gehen. Wir sind also auf Zuwanderung angewiesen, vor allem aus den angrenzenden Regionen.“

Hier kommt die neue Standortmarke ins Spiel: „Aus wissenschaftlichen Untersuchungen, aber auch aus praktischen Erfahrungen, die im Allgäu oder in Südtirol gemacht wurden, wissen wir, dass sich ein gezieltes Marketing positiv auf den Standort auswirkt. Die Definition einer Marke führt auch zu einer Identifikation mit dem eigenen Gebiet und mit dem, was es zu bieten hat. Wir müssen unsere Kräfte bündeln.“ Das Vorhaben beantwortet die Frage, mit welchen Trümpfen sich Ostbelgien nach außen vermarkten kann und welche Merkmale die Gegend von anderen Regionen unterscheidet.

„Wir haben eine eigene Identität mit germanischen und romanischen Einflüssen. Die Grenzerfahrung spielt ebenfalls eine besondere Rolle, aber nicht als trennendes, sondern als verbindendes Element“, verweist der Ministerpräsident auf Schlussfolgerungen der Konzeptarbeit. Der Begriff Ostbelgien biete für das Standortmarketing viele Vorteile. „Er ist in der Bevölkerung akzeptiert. Der Ostbelgier identifiziert sich am ehesten damit.“ Bei zwei demoskopischen Befragungen landete die Bezeichnung in der Beliebtheitsskala auf Platz eins (vor „Eifel“ auf Rang zwei und „DG auf Platz drei). Aus diesem Grund habe man sich auch gegen einen völlig neuen Namen entschieden. Zudem sei die Deutschsprachige Gemeinschaft hierzulande der einzige Gliedstaat, der „Belgien“ in seiner Außendarstellung verwende. „Das dokumentiert unsere tiefe Verbundenheit mit dem Königreich.“

Zudem gebe es einen unmittelbaren geografischen Bezug, der beim Kürzel DG nicht gegeben war: „Jeder weiß, wo wir zu finden sind, wenn wir Ostbelgien sagen.“ Dennoch ist der Ausdruck schwammig: Während die einen Ostbelgien geografisch mit der Deutschsprachigen Gemeinschaft gleichsetzen, ist die Bezeichnung für andere ein Synonym für die ehemaligen „Ostkantone“ (also die neun deutschsprachigen Gemeinden plus Malmedy und Weismes). Und ausländische Presseagenturen wie die dpa nennen Lüttich eine „ostbelgische Stadt“.

Für Regierungschef Oliver Paasch ist das jedoch kein Problem: „Wo der Osten Belgiens beginnt und wo er endet, ist natürlich nicht endgültig festzulegen. Das hängt vom Blickwinkel des Betrachters ab. Fest steht jedenfalls, dass unser Gebiet in Ostbelgien liegt und wir das Recht haben, in der Außendarstellung diesen Begriff zu verwenden.“ Die (ostbelgische) Regierung sieht sich auf dem richtigen Weg: „Wir haben bei Gesprächen mit Betrieben, mit Institutionen, mit Vereinen und Vertretern aus der Zivilgesellschaft festgestellt, dass es ein großes Einvernehmen mit dem gibt, was wir da vorhaben. Auf Partner sind wir auch angewiesen. Deshalb machen hoffentlich viele dabei mit.“