Debatte über Vorbeugung von Radikalismus: Prävention ist alles

Einigkeit herrschte im Parlament darüber, dass radikale Strömungen wie der Salafismus nicht mehr finanziell unterstützt werden dürfen. | Marijan Murat/dpa

Das war die Quintessenz einer Debatte über Radikalisierung zu Beginn der Woche im zuständigen Parlamentsausschuss. Die Abgeordnete Lydia Klinkenberg (ProDG) hatte dazu eine Interpellation an Ministerpräsident Oliver Paasch (ProDG) gerichtet. „Besonders gefährdet sind Jugendliche (12-25 Jahre), welche negative Erfahrungen, beispielsweise ein instabiles Elternhaus und instabile Persönlichkeitsstrukturen aufweisen, sowie das Gefühl haben, nicht dazu zu gehören“, so Klinkenberg.

Das Thema sei überaus komplex, antwortete Paasch: „Es gibt in diesem Zusammenhang keine einfachen Antworten, keine einfachen Instrumente und erst recht keine Zauberformeln.“ Vorbeugend könnten die Gemeinschaften wirken, weil sie für Bildungs-, Jugend- und Sozialpolitik zuständig sind, aber auch für die Themen Beschäftigung und lokalen Behörden (Gemeinden). Im November 2015 hat die DG-Regierung einen Koordinator für die Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus bestellt, der im Präventionsbereich das Zusammenspiel aller relevanten Akteure unterstützen soll.

Mitte 2016 folgte dann eine eigene Strategie zur Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus. Als zentrale Koordinationsstelle für die Radikalismusprävention wurde im April 2017 eine „Wegweiser“-Anlaufstelle geschaffen. „In ihrem ersten Tätigkeitsjahr 2017 beantwortete unsere Wegweiser-Anlaufstelle insgesamt 15 Fall-Anfragen aus verschiedenen Diensten und Umfeldern“, berichtete Paasch. In sechs Fällen lagen „konkrete Anzeichen einer möglichen Radikalisierung“ vor. Ein Alleinstellungsmerkmal der Anlaufstelle sei ihre breite Vernetzung mit Schwestereinrichtungen im In- und Ausland, so auch strukturell mit der Anlaufstelle Aachen. Die Erreichbarkeit soll in den kommenden Wochen noch verbessert werden, u.a. über eine facettenreiche Website, die verschiedene Zielgruppen über das ostbelgische „Wegweiser“-Angebot informieren soll. In der Debatte wurde u.a. von Gregor Freches (PFF) hervorgehoben, dass man dem Phänomen breit begegnen müsse, vor allem auch im Unterrichtswesen über die Vermittlung von politischer Bildung und von Medienkompetenz. Radikalismus sei auch nicht ausschließlich ein Jugendphänomen, sondern „in der Mitte der Gesellschaft“ angekommen, meinte Jérôme Franssen (CSP), Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, müsse die Strategie der Regierung entsprechend angepasst werden, so Freddy Mockel (Ecolo). Charles Servaty (SP) erwähnte eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung, die beunruhigende Resultate hervorgebracht habe: Demnach sind mehr als drei von zehn Wahlberechtigten (30,4 Prozent) in Deutschland laut Untersuchung „populistisch eingestellt“. Das sind etwa vier Prozent mehr als im Vorjahr. Auch die „Intensität“ dieser Einstellung habe zugenommen, so die Forscher.

Michael Balter (Vivant) stellte fest, dass die Unzufriedenheit über die Politik der klassischen Parteien ein Nährboden für Unzufriedenheit sei – und zog damit Kritik anderer Fraktionen auf sich, die diese Darstellung zu einfach fanden. Mehr Zustimmung gab es dagegen für die Feststellung Balters, dass radikale Strömungen wie der Salafismus – eine ultrakonservative Strömung des Islams – in Belgien nicht mehr finanziell unterstützt werden dürften (zum Beispiel durch arabische Staaten). Die internationale Gemeinschaft tue allerdings sehr wenig, um hier für Abhilfe zu sorgen.