Spur zum Kronprinzen: Trump will Bericht vorlegen

20. März 2018: US-Präsident Donald Trump (r) empfängt den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman im Weißen Haus. | spa/dpa

Angesichts neuer Erkenntnisse zur möglichen Beteiligung des saudischen Kronprinzen an der Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi will die US-Regierung einen Bericht vorlegen. US-Präsident Donald Trump kündigte am Samstag an, in diesem „umfassenden Bericht“, der bis Dienstag veröffentlicht werden soll, werde es auch darum gehen, „wer es (die Tötung) veranlasst hat und wer es getan hat“. „Das war eine schreckliche Sache, diese Tötung eines Journalisten“, fügte Trump am Rande eines Besuchs in Kaliforniens hinzu. Das „hätte nie passieren dürfen“.

US-Medien hatten tags zuvor berichtet, dass der Auslandsgeheimdienst CIA zu der Einschätzung gelangt sei, dass Thronfolger Mohammed bin Salman selbst die Tötung des Journalisten und Regierungskritikers im Konsulat in Istanbul angeordnet habe. Dies sei das Ergebnis der Auswertung mehrerer Quellen, schrieb die „Washington Post“. Das Außenministerium in Washington stellte am Samstag aber klar, dass noch keine abschließende Bewertung im Fall Khashoggi getroffen worden sei.

Der im US-Exil lebende Khashoggi war am 2. Oktober im Konsulat seines Heimatlandes Saudi-Arabien in Istanbul umgebracht worden. Er hatte dort Dokumente für seine Hochzeit mit einer Türkin abholen wollen. Unter immensem internationalen Druck gab Riad erst viel später den Tod des „Washington Post“-Kolumnisten zu. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt hochrangige Regierungsmitarbeiter, eigenmächtig ein 15-köpfiges Spezialteam zur Ausführung der Tat geschickt zu haben. Riads Generalstaatsanwalt hatte zuletzt für fünf Beteiligte die Todesstrafe gefordert – angeklagt würden elf.

Beobachter sehen darin den Versuch, Mohammed bin Salman – auch „MbS“ genannt – zu schützen. Die Affäre hat ihn in den vergangenen Wochen international in die Defensive gedrängt. Trump hingegen hatte bislang unter Verweis auf gute Geschäfte, Waffendeals und die Stabilität in Nahost gezögert, gegen den Kronprinzen vorzugehen.

Dabei deuten aber eine Reihe von Hinweisen auf eine direkte Beteiligung des 33-Jährigen:

– DAS TELEFONAT: Die „Washington Post“ berichtete am Wochenende unter Berufung auf Geheimdienstler über ein Telefonat zwischen dem Bruder des Kronprinzen und Khashoggi. Chalid bin Salman habe ihm darin vorgeschlagen, die Dokumente im saudischen Konsulat in Istanbul abzuholen. Prinz Chalid ist saudischer Botschafter in den USA. Er habe den Anruf auf Anordnung seines Bruders getätigt, berichteten die Geheimdienstquellen. Die Zeitung schrieb aber, es sei unklar, ob der Diplomat davon gewusst habe, dass Khashoggi ermordet werden würde.

Chalid bin Salman selbst bestritt die Darstellung der Zeitung vehement. Er schrieb auf Twitter, ein solches Gespräch habe es nicht gegeben. Sein letzter Kontakt mit dem Journalisten sei am 26. Oktober 2017 per Textnachricht gewesen. Die „Washington Post“ schrieb, der Anruf sei von US-Geheimdiensten abgehört worden. Chalid bin Salman war gut eine Woche nach dem Verschwinden Khashoggis überraschend nach Riad geflogen und ist seitdem nicht nach Washington zurückgekehrt.

– VERBINDUNGEN ZUM „KILL TEAM“: Unbestritten ist die Entsendung eines Spezialteams nach Istanbul, dessen 15 Mitglieder Khashoggi nach dem Betreten des Konsulats umbrachten. Bei einer Reihe dieser Männer wurde eine direkte Verbindung zu Kronprinz Mohammed hergestellt. So tauchten einige von ihnen auf Bildern von Auslandsbesuchen des Thronerben auf – als Teil seines Sicherheitsteams. Auch die CIA stellte diese Verbindungen laut „Washington Post“ mit dem Abgleich der Pässe der Verdächtigen her.

– ABSOLUTE KONTROLLE: Die CIA, unabhängige Experten und westliche Diplomaten bezweifeln, dass eine Mission dieser Tragweite in Saudi-Arabien hinter dem Rücken des quasi allmächtigen Kronprinzen möglich gewesen wäre. Er hat eine enorme Machtfülle angehäuft und enge Vertraute an allen Schaltstellen platziert. Dass Untergebene eine riskante Operation im Ausland gegen den wohl prominentesten Journalisten des Landes befehlen, ohne dass „MbS“ davon weiß, ist für viele undenkbar.

– „SAG’S DEINEM CHEF“: Der Anführer des „Kill Teams“, Maher Mutreb, rief der „New York Times“ zufolge nach der Tat jemanden an und sagte, dieser solle seinem „Chef“ Bescheid geben, dass die Mission abgeschlossen sei. Die Zeitung stützte sich dabei auf US-Geheimdienstangaben zu einer Audio-Aufnahme. Die CIA gehe davon aus, dass das Telefonat mit einem Berater von Mohammed bin Salman geführt wurde und mit „Chef“ der Thronfolger selbst gemeint ist.

– DAS MUSTER: Das Verschwinden Khashoggis ist zudem kein Einzelfall. In der Zeit der Herrschaft des Kronprinzen häuften sich Berichte zu im Ausland verschwundenen, kritischen Prinzen und über Versuche der Regierung, Dissidenten habhaft zu werden. So sagte ein in Deutschland lebender saudischer Prinz der Deutschen Presse-Agentur, er hätte kurz vor dem Tod Khashoggis mit Millionen Dollar in die saudische Botschaft in Kairo gelockt werden sollen.

Angesicht dieser Hinweise auf eine direkte Beteiligung des Kronprinzen könnte US-Präsident Trump sich gezwungen sehen, weitere Sanktionen gegen den engen Verbündeten ins Auge zu fassen. Die US-Regierung hatte am Donnerstag bereits Strafen gegen 17 ehemalige saudische Regierungsmitarbeiter verhängt, aber nicht gegen den Thronfolger. Washington schien damit der Darstellung Riads zu folgen, denn die Sanktionen richteten sich gegen Männer, die auch Saudi-Arabien zuvor als alleinige Schuldige präsentiert hatte.

Riad hat seine Version der Ereignisse seit Anfang Oktober wieder und wieder geändert. Auch die aktuelle Erklärung – dass das Spezialteam Khashoggi eigentlich zur Rückkehr nach Saudi-Arabien bewegen wollte und die Situation eskalierte – steht in eklatantem Widerspruch zu internationalen Erkenntnissen und wirft Fragen auf. So bleibt unklar, warum ein Forensiker mit dem Spezialgebiet Obduktion Teil des Teams war, wenn es gar keinen Tötungsauftrag gab. Auch die Leiche Khashoggis bleibt verschwunden.

Trump war wegen des Falls unter Druck geraten. Selbst bei den Republikanern wurden die Stimmen lauter, die forderten, die Regierung müsse Sanktionen gegen Verantwortliche verhängen. Trump – der Riad für seine Anti-Iran-Strategie braucht – hatte lange Zeit einen Zick-Zack-Kurs hingelegt und einen Bruch mit Riad vermieden.

Die EU und ihre Mitgliedsstaaten kündigten derweil eine Prüfung für „angemessene Maßnahmen“ gegen die Verantwortlichen an. Man habe die Erklärung Riads zur Kenntnis genommen, jedoch sei „weitere Klärung zu den Umständen des schrecklichen Verbrechens“ notwendig.

Der Fall Khashoggi dürfte an diesem Montag auch bei einem EU-Außenministertreffen in Brüssel diskutiert werden. Offiziell auf der Tagesordnung steht er nicht, nach Angaben von Diplomaten könnte er aber zum Beispiel im Rahmen einer Beratung zum Jemen-Konflikt auf den Tisch kommen. (dpa)