Nur noch wenige Tag bis zu den Midterms

Trump in seinem Element: Wahlkampf mit allen Mitteln. Es scheint zu wirken: Seine Werte steigen wenige Tage vor den wichtigen Midterms. Foto: AFP | AFP



Trump hat das Land gespalten. Dabei war er mit dem Versprechen angetreten, Gräben zu schließen. In seiner Siegesrede vor zwei Jahren betonte er: „Allen Republikanern und Demokraten und Unabhängigen überall in dieser Nation sage ich, dass es Zeit für uns ist, als ein vereintes Volk zusammenzukommen.“ Stattdessen legt er eine Rhetorik an den Tag, die die Spannungen stetig anheizt.

Mit der Wahrheit nimmt es der Präsident dabei nicht so genau. Nach einer Statistik der „Washington Post“ benötigte Trump exakt 601 Tage im Amt, um die Marke von 5000 falschen oder irreführenden Behauptungen zu reißen. Insofern ist mit Vorsicht zu genießen, wenn er mit Blick auf die Wahlen sagt: „Wenn die Demokraten in diesem November die Kontrolle über den Kongress gewinnen, werden wir dem Sozialismus in Amerika gefährlich näher kommen.“

Zwar drohen Amerika auch nach den Zwischenwahlen keine Verhältnisse wie im beinahe bankrotten Venezuela, wovor der Präsident in einem Beitrag für „USA Today“ gewarnt hat. Gefährdet ist bei den sogenannten Midterms aber die Mehrheit von Trumps Republikanern in mindestens einer der beiden Kammern im Kongress, dem US-Parlament.

Es steht sehr viel auf dem Spiel

Der linke Senator Bernie Sanders spricht von „den wichtigsten Midterms in der Geschichte des Landes“. Es ist die erste landesweite Abstimmung, seit Trump sich 2016 überraschend die Präsidentschaft sichern konnte. Die Wahlen sind damit auch ein Referendum über Trumps Politik und seinen unkonventionellen Regierungsstil – der beinhaltet, Kontrahenten in wüsten Twitter-Arien zu beschimpfen und kritische Medien als „Feinde des Volkes“ zu verunglimpfen.

Vor den Midterms liegen die Nerven in den USA blank. Keine zwei Wochen vor der Abstimmung nahm die Polizei einen Mann fest, der offensichtlich ein fanatischer Anhänger Trumps ist – und der eine Reihe Briefbomben an dessen Kritiker verschickt haben soll. Unter den Adressaten war die Demokratin Hillary Clinton, die Trump im Präsidentschaftswahlkampf 2016 unterlegen war. Clinton gab Trump indirekt eine Mitschuld, als sie sagte: „Wir haben einen Präsidenten, der die ganze Zeit rücksichtlose Rhetorik praktiziert, die alle möglichen Leute erniedrigen und dämonisieren soll.“

Auch nach der Festnahme des mutmaßlichen Briefbomben-Täters kamen die USA nicht zur Ruhe: Nur einen Tag später griff ein Rechtsradikaler eine Synagoge in Pittsburgh an und tötete elf Gläubige. Örtlichen Medienberichten zufolge soll er gerufen haben: „Alle Juden müssen sterben.“ Trump verurteilte die Tat aufs Schärfste und schrieb auf Twitter: „Wir müssen uns vereinen, um den Hass zu besiegen.“

Jenen Hass sehen Trumps Kritiker just durch seine Rhetorik geschürt. In einem von mehr als 30 000 Menschen unterzeichneten Schreiben warf eine jüdische Organisation dem Präsidenten vor, mit verbalen Angriffen gegen Minderheiten zu der Tat angestachelt zu haben.

Auch die Verbündeten tun sich schwer mit Trump

Nicht nur bei seinen Gegnern in Amerika hat Trump den ohnehin geringen Vertrauensvorschuss verspielt, der ihm nach seinem Wahlsieg 2016 eingeräumt worden war. Unter Verbündeten wie Deutschland hat seine Politik zu großer Verunsicherung geführt. Nichts bereitet den Deutschen mehr Sorge als der US-Präsident, glaubt man einer Umfrage der R+V-Versicherung vom September: 69 Prozent geben an, ihnen mache eine gefährlichere Welt durch Trumps Politik Angst.

Wer allerdings darauf spekuliert, dass die Kongresswahlen den Anfang vom Ende von Trumps Präsidentschaft markieren, könnte sich getäuscht sehen. Zur Wahl stehen das Repräsentantenhaus und der Senat, also das Unter- und das Oberhaus im US-Parlament. Laufen die Dinge halbwegs den Prognosen entsprechend, wird Trump zwar das Repräsentantenhaus verlieren, aber den Senat für die Republikaner halten können.

Den Senat zu verlieren wäre eine Schmach

Der Zufall will es, dass Trumps Republikaner den Senat kaum verlieren können. Bei den Midterms werden nur etwas mehr als ein Drittel der Senatoren neu gewählt. Dieses Jahr sind mehrheitlich jene an der Reihe, die von den Demokraten verteidigt werden müssen – das heißt, die Demokraten können in den meisten Fällen maximal ihren Sitz halten, während die Republikaner die Chance auf Zugewinne haben.

Andere Präsidenten – auch solche mit besseren Beliebtheitswerten als Trump – sind da zur Mitte ihrer Amtszeit schon viel schlimmer abgestraft worden. So verlor sein Vorgänger Barack Obama 2014 mit Pauken und Trompeten neun Sitze und damit die Mehrheit im Senat. Sollten es die Demokraten jetzt allerdings trotz der erheblich schlechteren Voraussetzungen schaffen, das Oberhaus zu gewinnen, wäre das eine fatale Schmach für Trump. Dann könnten die Demokraten dem Weißen Haus eine fast totale parlamentarische Macht entgegenstemmen.

Aber auch wenn die Meinungsforscher – anders als bei der Präsidentschaftswahl 2016 – diesmal mehrheitlich richtig liegen und die Demokraten nur das Repräsentantenhaus holen sollten, kann es für Trump ungemütlich werden. Herzensanliegen wie die Finanzierung einer Grenzmauer zu Mexiko wären womöglich auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Auch Stillstände der Regierung wegen Geldmangels wären nicht auszuschließen – den Staatshaushalt legt der Kongress fest.

Schon jetzt stellen die Demokraten in den Ausschüssen jede Menge Anfragen, etwa zu den persönlichen Finanzen, Steuerunterlagen oder Geschäftsbeziehungen von Trump. Republikanisch dominiert, lehnen die Ausschüsse all diese Gesuche rundweg ab. Ab Januar – wenn die Wahlsieger ihre Ämter im Kongress antreten – könnte sich das ändern.

Mit möglicherweise zermürbenden Folgen: „Alles wird untersucht“, sagte Thomas Davis, ein früherer Ausschussvorsitzender der Republikaner im Abgeordnetenhaus, der „Washington Post“. „Du verbringst die Hälfte Deiner Zeit damit, auf Vorladungen zu antworten, Dokumente herauszusuchen und deine Leute vor den Ausschüssen erscheinen zu lassen. Ganz ehrlich, dein Vermächtnis ist an dieser Stelle ruiniert.“

Es könnte richtig ungemütlich werden

Mit anderen Worten: Die Demokraten könnten Trump und seine wichtigsten Mitarbeiter mit unangenehmen Aufgaben dauerbeschäftigen – bis hin zu einem Amtsenthebungsverfahren, das in der Russland-Affäre noch immer denkbar ist. Auch wenn die Erfolgsaussichten gering sein mögen: Ein solches Verfahren könnte Trump politisch auf lange Zeit lähmen – oder aber bei der Präsidentschaftswahl 2020 auf die Demokraten zurückfallen.

Was 2020 blühen könnte, darauf liefert der derzeitige hitzige Wahlkampf einen Vorgeschmack. Trump begnügt sich nicht damit, die eigenen Erfolge zu preisen, obwohl er seinen Anhängern da durchaus etwas zu bieten hat: Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit sinkt. Trump hat seine Steuerreform durchgebracht, und er hat zwei erzkonservative Richter an den politisch so wichtigen Obersten Gerichtshof berufen können – darunter den umstrittenen Kandidaten Brett Kavanaugh, den er gegen heftige Widerstände durchboxte.

Der Präsident baut im Wahlkampf eine Drohkulisse auf, wonach alles auf dem Spiel steht, sollten sich die Demokraten durchsetzen. Sie porträtiert er als wütenden, linksradikalen Mob. Trump behauptet, die Demokraten wollten Grenzen öffnen, sozialistische Verhältnisse etablieren, Einwanderer ohne Aufenthaltspapiere wählen lassen und den Menschen ihre Krankenversicherung wegnehmen.

Wahlkampf schriller als vor zwei Jahren

Dass das kaum etwas mit der Realität zu tun hat, spielt für den Präsidenten keine Rolle. Sein Wahlkampf ist noch hetzerischer, noch schriller, noch populistischer geworden als 2016. Der Präsident testet, ob diese Strategie verfängt. Es ist ein Probelauf für 2020, und Trump ist damit nicht allein.

Auch die Demokraten laufen sich warm. Sie stehen dabei vor der Frage, ob sie ihre Strategie darauf gründen, Trump zu attackieren – oder ob sie sich vor allem Sachthemen widmen, die den Menschen am Herzen liegen, etwa das Thema Krankenversicherung. Mehr als zwei Dutzend Namen werden bei den Demokraten inzwischen als potenzielle Präsidentschaftsbewerber gehandelt, viele von ihnen mischen im Wahlkampf eifrig mit. Ex-Vizepräsident Joe Biden ist darunter oder der Linke Bernie Sanders. Auch die Senatoren Elizabeth Warren, Kamala Harris und Cory Booker haben sich profiliert.

Warmlaufen für den Präsidentschaftswahlkampf

Aufseiten der Republikaner gibt es Spekulationen, dass Trump es bei den Vorwahlen mit einem oder mehreren Gegenkandidaten zu tun bekommen könnte. Ein Name, der in diesem Zusammenhang häufiger fällt, ist der von John Kasich. Der Gouverneur von Ohio bewarb sich bereits 2016 um die Kandidatur der Republikaner und hat sich zu einem der lautstärksten parteiinternen Kritiker des Präsidenten entwickelt.

Senator Jeff Flake werden ebenfalls Ambitionen nachgesagt. Auch er steht Trump kritisch gegenüber und hat die Spekulationen befeuert, indem er mehrfach in New Hampshire auftrat, einem der wichtigen Vorwahlstaaten. Ob Flake oder Kasich allerdings Chancen hätten, ist fraglich. In seiner eigenen Partei hat Trump ausgezeichnete Beliebtheitswerte. Ähnliche Versuche in der Vergangenheit, einen amtierenden Präsidenten herauszufordern, scheiterten.

Sicher ist jedenfalls, dass nach dem 6. November keine Ruhe einkehren wird – vielmehr dürfte es dann erst richtig losgehen. Irgendwann danach wird der FBI-Sonderermittler Robert Mueller seinen mit Spannung erwarteten Bericht vorlegen, in dem es auch um mögliche Absprachen des Trump-Lagers mit Russland im Wahlkampf 2016 geht. Und schließlich ist nach den Wahlen immer auch vor den Wahlen. Die „New York Times“ schreibt zur Frage, was nach den Midterms geschieht: „Im Prinzip beginnt sofort der Präsidentschaftswahlkampf 2020.“ (dpa)