"Gelbwesten"-Krise: Frankreich startet Bürger-Debatte

Es handele sich um eine noch nie da gewesene Initiative, schrieb der Präsident in einem am Sonntagabend veröffentlichten Brief an seine Landsleute, wie der Élyséepalast mitteilte. Die Vorschläge sollten letztlich zu einem "neuen Vertrag für die Nation" führen, kündigte er an. Im April werde er Schlussfolgerungen der Debatte ziehen. "Für mich gibt es keine verbotenen Fragen", schrieb Macron.

"Das ist weder eine Wahl noch ein Referendum", stellte er jedoch klar. Der seit Mai 2017 amtierende Europafreund kündigte an, er werde an den Leitlinien seiner Politik festhalten.

Die von den "Gelbwesten"-Protesten ausgelöste Krise ist die bislang größte Herausforderung für den jungen Staatschef, dessen Beliebtheitswerte im Keller landeten. Er äußerte Verständnis für Unzufriedenheit und Wut von Bürgern: "Ich teile diese Ungeduld."

Die großen Themen der Debatte sind: Steuern und öffentliche Ausgaben, Staatsorganisation, ökologischer Wandel und Demokratie - dazu gehört auch das Reizthema Einwanderung. Macron listete in seinem Brief knapp drei Dutzend Einzelfragen auf. Dabei brachte er bei der Einwanderung "jährliche Ziele" ins Spiel, die vom Parlament festgelegt werden könnten.

Premierminister Édouard Philippe will am (heutigen) Montag Einzelheiten zum Ablauf der Debatte bekanntgeben. Vom Dienstag an sollen die Bürger dann ihre Kritik äußern und Reformvorschläge machen können. Tausende Rathäuser im Land werden dabei eine zentrale Rolle spielen.

Am vergangenen Samstag waren nach offiziellen Angaben im ganzen Land 84.000 Menschen auf die Straßen gegangen. Die "Gelbwesten" wenden sich gegen die Reformpolitik der Mitte-Regierung, einige fordern auch den Rücktritt Macrons. Immer wieder es in den vergangenen zwei Monaten zu Ausschreitungen gekommen, auch in Belgien. Bei Visé ist am Wochenende ein Demonstrant der Gelbwesten-Bewegung ums Leben gekommen.

Die Franzosen schätzen die Erfolgsaussichten der Debatte eher gering ein. Laut einer Umfrage für den Sender France Info und die Zeitung "Le Figaro" glauben sieben von zehn Franzosen, dass die Debatte nicht zu nützlichen Maßnahmen führen wird. Erschwert wird der Start zusätzlich durch den kurzfristigen Rückzug der einst vorgesehenen Organisatorin, der Spitzenbeamtin Chantal Jouanno. Sie war nur eine Woche vor dem geplanten Beginn der Debatte von der Aufgabe zurückgetreten, nachdem öffentlich Empörung über ihr bisheriges Gehalt entbrannt war. (dpa)