TTIP untergräbt das europäische Sozialmodell

"TTIP könnte fast 600.000 Arbeitsplätze in Europa gefährden." Thomas Miessen, Christliche Gewerkschaft CSC | 4


„TTIP wird Millionen von Arbeitsplätzen in Europa schaffen“, so Karel De Gucht, ehemaliger Europäischer Handelskommissar 2013. 4.000 Arbeitsplätze für Belgien, so haben die Studien, die die Kommission selbst in Auftrag gab oder zur Hilfe nahm, es prognostiziert. Diese Studien sind jedoch hoch umstritten. Selbst Autoren der Studien gaben zu, dass die Kommunikation der Kommission zu den Studien viel zu positiv war. Wenn man die UNO-Methodologie der Folgenabschätzung benutzt, riskieren durch TTIP mehr als 60.000 Belgier ihren Arbeitsplatz, fast 600.000 Arbeitsplätze sind europaweit gefährdet. Trotzdem beharrt die Kommission bis heute auf den positivsten Zahlen, umfangreichere und neue Folgenabschätzungen fehlen bis dato, dabei sollen die Verhandlungen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Wie ist das möglich?

25 % höher liegen die belgischen Löhne im Schnitt über denen der amerikanischen Kollegen. Die Lohnunterschiede sind dabei umso größer in Sektoren, wo prekäre Beschäftigung herrscht. Denn hier zeigt sich in vollem Umfang, was fehlendes umfangreiches Arbeitsrecht, soziale Absicherung und ‚Hire and fire‘-Methoden für Arbeitnehmer bedeuten. Mit den bekannten Konsequenzen: Amerika ist heute ein von Ungleichheit geprägtes Land, das sozial tief zerrüttet ist. 2, 5 Millionen Kinder und Jugendliche sind obdachlos, wie ein Bericht von Homeless Children America1 feststellen musste. Auch in Europa weiten sich die Ungleichheiten in und zwischen Staaten aus. Wozu zusätzlich ein transatlantischer Binnenmarkt, wenn Sozialdumping innerhalb Europas noch nicht geregelt ist?

Handelsliberalisierung bringt Wachstum und Beschäftigung, so die offizielle Linie. Da Zölle global schon sehr niedrig sind, im Durchschnitt nicht mehr als 5 % auf Waren betragen, sind nun nicht-tarifäre Handelshemmnisse ausgemachtes Ziel von neuen Handelsabkommen wie TTIP, also Normen und Standards. Harmonisierung von Standards ist sicherlich ein äußerst anstrebenswertes Ziel, doch sollten sie nicht vorrangig durch Fachpolitiker der Gesundheitspolitik, der Arbeitsmarktpolitik, ... und in bestehenden internationalen Institutionen ausgehandelt werden, anstatt prioritär von Handelspolitikern, die in vielen Ländern in engem Kontakt vor allen Dingen zu multinationalen Konzernen und ihren Lobbygruppen stehen? Handelspolitik sollte unser europäisches Sozialmodell stärken, nicht schwächen. Das Gegenteil scheint mit TTIP der Fall.