Sommer, Sonne, Dutroux

Marc Dutroux während seines Prozesses. | Photo News



Ich kann mich noch gut an unseren Sommerurlaub im August 1996 erinnern. Ich war damals elf Jahre alt und genoss mit meiner Familie auf Mallorca die Sonne. Eines Tages merkte ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Die Unbeschwertheit stoppte abrupt. Wir waren auf dem Weg zum Strand, als meine Eltern kurzerhand vor einem Kiosk stehen blieben. Sie schauten sich die Titelseite einer Zeitung an.

Die Zeitung, das war die „Bild“, die mit den Fotos des Kellerverlieses aufmachte, aus dem die Polizei Sabine Dardenne und Laetitia Delhez befreit hatte. Sabine war zwölf, Laetitia 14 Jahre alt. Mein Vater erklärte mir, dass die Mädchen Belgierinnen seien und der Keller sich in der Wallonie befinde.

Wir kauften nun jeden Tag die Zeitung, um mehr von den schrecklichen Verbrechen zu erfahren, die Belgien über Jahre in Schockstarre versetzen sollten. Ich war elf Jahre alt. Ein Kind, so wie die meisten Opfer von Marc Dutroux und seinen Komplizen.

Ein Trauma hat die Dutroux-Affäre in mir nicht ausgelöst. Wahrscheinlich, weil mir das Ausmaß als Kind nicht bewusst war. Mein Vater wiederholte zwar seine Ansagen, nicht ins Auto Fremder zu steigen und ihnen ja gar nichts zu glauben. Mehr aber auch nicht.

Erst später, in der Pubertät, kam das Thema wieder zum Vorschein. Schlechte, abscheuliche Witze machten die Runde in der Schule, während ich in den Sommerferien stets aus dem „Land der Kinderschänder“ kam. Gleichzeitig wurde ich empfänglich für Verschwörungstheorien rund um die Affäre. Eine ZDF-Reportage aus 2001, in der vermittelt wurde, dass 27 Zeugen während der Ermittlungszeit starben, nährte diese.

Erst heute, also 20 Jahre, nachdem ich das erste Mal den Namen von Marc Dutroux gehört habe, kann ich in etwa nachvollziehen, wie sich eine ganze Nation im Jahr 1996 gefühlt haben muss. Ohnmächtig, traurig, wütend.