Physik, Politik, Perversion

Elektrische Energie ist gefragter denn je. Atomstrom wäre CO2-neutral, wollen viele aber nicht. Dafür kommt immer noch viel Strom aus Kohle und Braunkohle. | afp



Dass in diesem Sommer die Klimadiskussion hochkocht, sollte nicht verwundern. Verwunderlicher ist, dass unser Landsmann Prof. Jean-Pascal van Ypersele, ein weltweit anerkannter Klimaforscher und zeitweise Mitglied im Weltklimarat IPCC, beklagen muss, dass seit der Unterschrift unter den Pariser Klimavertrag in Europa bislang nicht viel zur Umkehr geleistet wurde. Die USA sind bekanntlich aus dem Vertrag ausgestiegen, weil Obama keine parlamentarische Mehrheit für die Ratifizierung bekam und den Vertrag per Dekret ratifizierte. Das sein Nachfolger Trump prompt per Dekret widerrief.

Lediglich die Autofahrer, insbesondere jene, unter deren Haube ein Motor nach dem Prinzip des deutschen Erfinders Rudolph Diesel werkelt, spüren Paris und werden den Eindruck nicht los, dass sie, ähnlich dem griechischen Helden Atlas, das gesamte Gewicht der Umweltverschmutzer schultern müssen. Während Fahrer großer Elektroautos als Umweltengel lautlos über die Straßen schweben.

Moment mal. Da scheint doch einiges aus dem Lot geraten zu sein. Ist nicht die Energieerzeugung der Klimakiller Nummer eins? Und „tanken“ die nicht etwa auch Strom, der immer noch zu einem erheblichen Teil aus Kohle, Braunkohle und anderen fossilen Brennstoffen gewonnen wird? Außerdem hat eine schwedische Studie erwiesen, dass die Produktion der Batterien eines großen Elektroautos so viel CO2 generiert wie die Herstellung dreier Mittelklassewagen. Selbst wenn es nur zwei wären: Otto Normalverbraucher wird schnell klar, dass hier etwas nicht stimmt. Doch das ist nur ein Aspekt: Es liegen weitere Studien vor, die beweisen, dass 15-20 der größten Ozeanriesen mehr Schwefeldioxid ausstoßen als die gesamte PKW-Flotte weltweit. Und solcher Schiffe gibt es mehr als 50.000. Da Belgien gleich zwei große Seehäfen und auch noch Westwind hat, kann uns das in Ostbelgien nicht egal sein.

Erwähnen müsste man auch das Internet, das mittlerweile zu einem der größten Energiefresser avanciert ist. Oder die Blockchain-Technologie, die so hoch gepriesen wird, aber Energie ohne Ende verbraucht. Oder den Flugtourismus, der mit steuervergünstigtem Kerosin funktioniert und mittlerweile Weltwirtschaftszweig Nummer eins ist. Physik und Fakten werden ignoriert, Emotionen zählen.

Es bleibt der schale Beigeschmack, dass in einer globalen Wirtschaft, die auf Gedeih und Verderb an Wachstum ausgerichtet ist, manche Perversion wie das Transportieren von Bioäpfeln von einem Ende des Globus bis zum anderen, einfach hingenommen und totgeschwiegen wird.

Als Sündenbock darf am Ende der Konsument herhalten, der zwar mitmacht beim bösen Spiel, aber zurecht nicht begreift, warum die große Keule am Ende seinen Euronorm-4-Diesel treffen muss. Während andere Großbaustellen weiter vor sich her stinken.