Liebe Rote Teufel...



Gestartet seid Ihr als Geheimfavorit, doch das Wort „Geheim“ wurde von den Experten schnell gestrichen. Eure schnelle Spielweise und eure Offensivstärke beeindruckten in der Vorrunde. Drei Spiele, drei Siege. So kann man eine Fußball-Endrunde starten. Dann kam Euer Comeback gegen Japan. Was war das denn, bitte? Der schönste Moment des Turniers, als der Zehn-Sekunden-Konter von Thibaut Courtois über Kevin De Bruyne und Thomas Meunier zu Nacer Chadli im 3:2 mündete. Dramatik, Hochgefühl, pure Freude.

Im Anschluss dann Euer Rendezvous mit der Geschichte. Jeder wird sich noch in 30 Jahren daran erinnern, wo er an diesem Abend war. Freitag, der 6. Juli. Fußball-Geschichte. Delirium in Ostbelgien. Hat die „goldene Generation“ das Zeug dazu, eine große Mannschaft zu schlagen? Das war die Hauptfrage vor dem Turnier. Ihr habt die richtige Antwort geliefert und das große Brasilien aus dem Turnier gekegelt. An diesem Tag bewies die „goldene Generation“, dass sie keine verlorene war, sondern erwachsen geworden ist. Es war auch das Meisterstück von Roberto Martinez, der zum Welttrainer gereift ist.

Es folgte Niedergeschlagenheit. Gegen das clevere, destruktive Frankreich war im Halbfinale Schluss. Ihr seid am französischen „Anti-Fußball“ gescheitert, der es euch nicht einmal erlaubt hat, in Schönheit zu sterben. Diese Franzosen …

Was wäre das für ein Spektakel gewesen? Belgien gegen Kroatien, Fußballekstase, Leidenschaft, das ganz große Spiel. Doch es sollte nicht sein.

Allein Ihr wart die stärkste Mannschaft bei der WM, ihr hättet Weltmeister werden können. Es war eine einmalige Gelegenheit für Eure Generation. Euer Kader war im Durchschnitt 27,7 Jahre alt. Bestes Fußballeralter. Die Chance, den Titel zu holen, wird für die belgische Nationalmannschaft in naher Zukunft nicht mehr so groß sein. Das Halbfinale wird Euch noch lange verfolgen. Es wäre der Arbeit verdienter Lohn gewesen. Das tut weh, doch „that’s the game“, liebe Teufel.

Heißt das jetzt aber, dass Ihr die Köpfe hängen lassen müsst? Ihr habt so lange und so hart gekämpft. Seit mehreren Jahren seid Ihr zusammen. Die Weltmeisterschaft sollte euch gehören. Und wisst Ihr was? Zum Teil gehörte sie das auch. Millionen Fans auf der ganzen Welt wissen nun, wer Ihr seid und was der belgische Fußball zu leisten imstande ist. 14 herrliche Tore, jedes erzählt eine eigene Geschichte.

Kinder ahmen Euch in Hinterhöfen und auf Bolzplätzen nach. Der Fußball, den Ihr gespielt habt, machte uns stolz. Der Hashtag „sadbutproud“ und „fierdetrebelge“ war in diesen Tagen äußerst populär.

Wenn Ihr jetzt am Samstagnachmittag (16 Uhr) auf England trefft, dann sollte Euch bewusst sein, dass Ihr noch ein letztes Mal die Welt an Eurem Spiel teilhaben lassen müsst. Zeigt uns, wie gut Ihr seid! Das wissen wir zwar schon. Aber wir würden es so gerne noch einmal sehen. Und beiläufig könntet Ihr in die Fußballgeschichte eingehen als die Roten Teufel, die den größten Erfolg des belgischen Fußballs ermöglichten. Der dritte Platz würde ein neues Kapitel des Sommermärchens 2018 schreiben.

„Ach Herr, wir wissen wohl, was wir sind, aber nicht, was wir werden können“, schreibt William Shakespeare. Für die noch junge Mannschaft aus der Heimat des Lyrikers trifft dieses Zitat vielleicht zu. Für Euch nicht. Ihr habt Eure Bestimmung gefunden.

Beendet das gute Turnier nicht mit zwei Niederlagen, sondern in Schönheit. Dafür lieben Euch die Fans. Seit diesem Sommer nicht nur in Eurem Heimatland.

Mit teuflischen Grüßen,

Mario Vondegracht