Wenn die Kalahari blüht

Von Philipp Laage

Botsuanas Kalahari und der Makgadikgadi-Pans-Nationalpark sind nicht so bekannt wie das Okavango-Delta. Doch in der Regenzeit locken diese Regionen mit spektakulärer Natur. Touristen lernen auch das Leben der Ureinwohner kennen. Ein Schauspiel mit trauriger Geschichte.

Im Deception Valley glaubt das ungeschulte Auge zunächst, mitteleuropäische Landschaften zu erblicken. Saftiges Gras bedeckt an einem Tag im Januar die Ebenen. Dornbüsche und Bäume tragen dichtes Blattwerk, Wildrosen wiegen sich im Wind, Schmetterlinge umflattern das Allrad-Fahrzeug. Zugegeben, die ikonische Form der Schirmakazie erinnert sogleich an die afrikanische Savanne. Doch die Natur der zentralen Kalahari in Botsuana zeigt sich während der Regenzeit sanft, fast einladend – vollkommen anders als die menschenfeindliche Dürre der Trockenperiode. Die sonst so trockene Savanne wird zu einem grünen Garten Eden.

Ein argloser Spaziergang durch das Deception Valley wäre gleichwohl lebensgefährlich. Samuel Andy Kasale hat drei junge männliche Löwen unter einem Baum ausgemacht. Der Wagen fährt bis auf wenige Meter heran. „Ihre Bäuche sind voll, sie haben vor kurzem gefressen“, sagt der Safariguide und fährt pathetisch fort: „Diese drei Löwen werden andere Rudel aufspüren und versuchen, den Männchen ihre Weibchen streitig zu machen, um selbst Anführer zu werden. Das ist die Geschichte ihres Lebens.“ Es ist der Lauf der Dinge in der Wildnis des Central Kalahari Games Reserves.

Die meisten Touristen besuchen Botsuana in den trockenen Monaten von Mai bis Oktober. Denn das ist die beste Reisezeit für das berühmte Okavango-Delta, die Hauptattraktion des Landes. Eine Reise in der Regenzeit, etwa im Januar und Februar, eignet sich dagegen am besten für die Kalahari, wegen der Tiere und des Naturschauspiels: Schiefergraue Wolken türmen sich über sattgrüner Savanne, Regenwände verdüstern den Horizont. Nachmittags scheint die Luft wie aufgeladen. Immer dramatischer werden die Formationen am Himmel, bis sich die Spannung in stürmischen Gewittern entlädt.

Die zentrale Kalahari ist eine der einsamsten Regionen Afrikas. Botsuana ist zwar etwa eineinhalb Mal so groß wie Deutschland, hat aber nur zwei Millionen Einwohner. Das Reservat ist größer als Niedersachsen, aber praktisch menschenleer.

Dafür gibt es in der Regenzeit umso mehr Tierbegegnungen. Immer wieder Steinböcke, Springböcke, Streifengnus – und unzählige Oryx-Herden. Dazwischen Sattelstörche, Marabus, Riesentrappen, Reiher und hin und wieder ein Strauß. Schakale schleichen durchs Gras. Zwei Geparden, die gerade ein Oryx-Jungtier erlegt haben, lassen sich nur ungern bei ihrer Mahlzeit stören. Der König der Savanne ist aber der Kalahari-Löwe, erkennbar an der schwarzen Mähne.

Abends darf der Gast den Tag in einer der wohl exklusivsten Unterkünfte des afrikanischen Kontinents Revue passieren lassen. Im Kalahari-Reservat und an seinen Grenzen gibt es nur rund ein Dutzend permanente Safari-Lodges. Das „Kalahari Plains Camp“ liegt südlich des Deception Valleys: acht komfortable Zelt-Chalets mit eigenen Toiletten und Duschen, eine große Lounge mit Speisesaal – und Pool. Der Strom kommt aus der Solaranlage. Den Standardtarif für eine einzelne Übernachtung inklusive Verpflegung und Game-Drives im Zeitraum von Mitte Januar bis Ende Mai gibt Wilderness Safaris mit 935 US-Dollar (880 Euro) pro Person an. Eine Nacht in der Kalahari zum Preis eines einwöchigen Badeurlaubs am Mittelmeer? So ist es.

Das demokratische und wirtschaftlich potente Botsuana wünscht sich möglichst wenige Touristen, die möglichst viel Geld ausgeben. Entsprechend hoch sind die Preise im Land. Durch die Absage an den Massentourismus soll der Lebensraum der Wildtiere erhalten bleiben.

Die Geschichte der Erschließung der zentralen Kalahari für den Diamantenabbau und Tourismus hat aber ein düsteres Kapitel. Das Reservat wurde 1961 zum Schutz der Ureinwohner gegründet. Die San, auch Basarwa oder Buschleute genannt, lebten dort als Jäger und Sammler. Die Nomaden wurden sesshaft, doch die Regierung forderte sie Ende der 90er-Jahre zum Verlassen des Reservats auf. Schlussendlich wurden die San zwangsumgesiedelt. Für viele begann ein Leben geprägt von Apathie und Alkohol. Der Oberste Gerichtshof erlaubte zwar 2006 die Rückkehr der Buschleute ins Reservat. Doch der Bau eines Brunnens wurde zunächst verboten – und heute ist das Jagen illegal.

Manche San arbeiten mit den Safari-Camps zusammen und bieten dort „Bushmen Walks“ für Touristen an. Die Buschrundgänge haben etwas unangenehm Folkloristisches an sich. Die Frauen und Männer werfen sich Felle über, obwohl sie sonst gewöhnliche Kleidung tragen. Das ist Touristen oft gar nicht klar. Die realen Lebensumstände der Buschleute werden auf den Führungen nicht thematisiert. Kritiker empfinden es gar als Hohn, dass Reisenden eine angeblich heile Welt im Busch vorgegaukelt wird, während die Regierung Botsuanas die San entrechtet und ihre traditionelle Lebensweise zerstört habe.

Das Zeltcamp „Meno a Kwena“ („Zähne des Krokodils“) am Westrand des Makgadikgadi-Pans-Nationalparks arbeitet ebenfalls mit einer Gruppe San zusammen. Makgadikgadi ist ein Park, dessen Besuch ebenfalls während der Regenzeit lohnt. Er liegt nordöstlich des Kalahari-Reservats und umfasst mit dem kleineren Nxai-Pan-Nationalpark eine Region, die von ausgedehnten Salzpfannen geprägt ist.

Das Camp „Meno a Kwena“ liegt gleich oberhalb des Boteti-Flusses. Wer vor sein luxuriöses Zelt tritt, sieht manchmal Flusspferde und Krokodile im Wasser oder trinkende Antilopen am Ufer. Spektakulär wird es im November, wenn rund 20 000 Zebras und Gnus auf der Suche nach Wasser aus dem Osten des Parks zum Boteti kommen. Doch in der Trockenzeit ist Makgadikgadi ansonsten eher etwas unspektakulär.

Das „Meno a Kwena“ ist nicht umzäunt. Sobald es dunkel ist, darf der Gast nur noch in Begleitung in sein Zelt gehen. Nachts hört er, wieso: Ein Löwe durchquert das Lager. Sein Brüllen hallt durch die Finsternis, ganz nah. Zu nah, denkt man, und liegt wach. Irgendwann entfernt sich das Brüllen und wird vom nächtlichen Regen abgelöst. So wird dem Besucher noch einmal deutlich, dass die Natur keineswegs so harmlos ist, wie sie in der Regenzeit wirkt. (dpa)

Hintergrund: Reisetipps für Kalahari und Makgadikgadi