Von Bigfoot bis Loch Ness: Auf der Spur mythischer Kreaturen

Von Oliver Kauer-Berk

Fabelwesen beflügeln die Fantasie: Existieren Bigfoot, Yeti und Dracula vielleicht wirklich? Alles nur Legenden und Mythen? In vielen Regionen der Welt können sich Reisende auf die Suche nach mythischen Kreaturen begeben – von Nordamerika über Bayern bis Australien.

Das angesagteste Fabelwesen dieser Tage ist ohne Zweifel das Taschenmonster, das Pocket Monster. Kurz: Pokémon. Es taucht auf Smartphone-Bildschirmen auf und lässt sich sogar fangen. Für die meisten mythischen Kreaturen dieser Erde gilt das nicht. Sie wurden weder je zur Strecke gebracht, noch gibt es handfeste Beweise für ihre Existenz. Doch der Aberglaube ist stark. Und deshalb können Urlauber an vielen Orten der Welt auch heute noch auf Fabelwesen stoßen. Nun gut, zumindest auf deren Heimat und Mythos.

Bigfoot, USA

In Nordamerika wurde er in den vergangenen Jahrhunderten angeblich immer wieder gesichtet: Bigfoot. Ein riesiges, stark behaartes Tier von Menschengestalt mit überdimensionalen Füßen. Die Bigfoot Field Researchers Organization nimmt an, es handele sich um ein seltenes Tier, wahrscheinlich einen Primaten. Andere Wissenschaftler sehen ein kulturelles Phänomen: Der Bigfoot werde durch Sichtungen bekannter Tiere, Wunschdenken und gefälschte „Beweise“ am Leben gehalten. Wie dem auch sei: USA-Touristen, die ein mannshohes Wesen mit dunklem Fell erspähen, sollten auf jeden Fall gewarnt sein: Bekanntlich können sich auch Bären aufrecht auf den Hinterbeinen bewegen.

Troll, Skandinavien

Die herausragende mythische Kreatur im Norden Europas ist der Troll: allgegenwärtig, bucklig, langnasig, plump. Der Troll spielt in den norwegischen Volksmärchen eine große Rolle, man findet ihn aber auch an den Souvenirständen zwischen Hammerfest und Malmö oder auf Island und in Dänemark. Der Troll ist ein beliebter Namensgeber, besonders in Norwegen. Die Wanderregion Trollheimen zum Beispiel ist nach dem Unhold benannt, der angeblich kleine Kinder stiehlt. Das verschweigt man im Familienurlaub besser. Stattdessen erklärt man mit dem Troll alles Unerklärbare: Wer war’s? Der Troll war’s!

Yeti, Himalaya

Zwei bis drei Meter soll das Wesen groß sein und Fußabdrücke von mehr als 40 Zentimetern im Schnee hinterlassen. Zu Hause ist der Yeti im höchsten Gebirge der Welt, dem Himalaya. Reinhold Messner hat ein Buch über den „Schneemenschen“ geschrieben und damit nicht unmaßgeblich zur Legendenbildung beigetragen. Der Bergsteiger kommt – wie auch Zoologen – zu der Auffassung, dass der Yeti mit dem sogenannten Tibetbären identisch sein könnte. Wer beim Trekking felsenfest glaubt, einen Yeti zu sehen, sollte unbedingt einen Arzt aufsuchen: Eine ernstzunehmende Höhenkrankheit kann Halluzinationen auslösen.

Nessie, Schottland

Eines der am meisten beforschten Fabelwesen ist Nessie. Das Ungeheuer von Loch Ness soll eine Seeschlange von bis zu 20 Metern Länge sein. Das legen Erwähnungen und angebliche Sichtungen nahe, die bis ins 6. Jahrhundert zurückreichen. Richtig berühmt wurde Nessie ab 1933 durch Zeitungsberichte. Ein Dutzend Filme widmeten sich seitdem der „Bestie aus der Tiefe“. Die meisten Wissenschaftler glauben an absichtliche Falschmeldungen oder grobe Fehlbestimmungen anderer Tiere. Fest steht: Loch Ness, mit 230 Metern der tiefste See Schottlands, ist wegen Nessie eine der populärsten Touristenattraktionen des Landes.

Skinwalker, USA

Die Navajo-Indianer im Reservat zwischen den US-Bundesstaaten Utah, Arizona und New Mexico fürchten sie bis heute: Skinwalker. Dabei handelt es sich der Legende nach um böse Menschen, die sich in beliebige Tiere wie Kojoten, Füchse oder Wölfe verwandeln können – oder sogar in andere Menschen. Dann verbreiten sie Unheil. Wer mehr erfahren will, hat wahrscheinlich Pech: Über „den, der auf allen Vieren geht“, redet der Navajo mit Fremden für gewöhnlich nicht.

Kappa, Japan

Dieser niedliche Kobold ist genauso süß wie heimtückisch und in Japan eine große Nummer. Die Mischgestalt – ein Affe mit Schildkrötenpanzer auf dem Rücken und Schwimmhäuten – lebt dem Volksglauben nach in Gewässern und zieht andere unter Wasser. Die größte Schwäche des Kappa ist sein eigentümlichstes Merkmal: Er hat eine Delle in der Schädeldecke, die stets mit Wasser gefüllt sein muss. Sonst verliert der Dämon seine Kraft. Was heißt das für abergläubische Reisende? Sie müssen sich nur vor dem Kappa verbeugen, worauf sich dieser freundlich wie alle Japaner ebenfalls verbeugt und…

Drop Bear, Australien

Dieses Beuteltier soll auf australischen Bäumen leben und sich von oben herab auf den Kopf seiner Opfer fallen lassen. Daher der Name: Drop Bear, Fall-Bär. Das Wesen sieht dem Koala ähnlich und kann auf vielerlei Art abgeschreckt werden, beispielsweise durch Zahncreme hinter den Ohren. Aufgepasst: Touristen werden häufiger Opfer des Drop Bears als Menschen mit australischem Akzent – jedenfalls wenn man einem Aprilscherz des Magazins „Australian Geographic“ glaubt.

Meerjungfrau, Dänemark

Zugegeben, die Meerjungfrau ist kein Ungeheuer. Und es gibt eine klare Vorstellung von ihr: oben Mensch, unten Fisch. Dafür sorgte nicht zuletzt der dänische Dichter Hans Christian Andersen mit seinem Märchen „Die kleine Meerjungfrau“. Die entsprechende Gestalt steht heute im Hafen von Kopenhagen, verewigt in Bronze. Die Meerjungfrau geht auf die Sagenfigur der Undine zurück, einen weiblichen Wassergeist, der erst von einem Bräutigam erlöst wird.

Vampir, Südosteuropa

Er ist der Filmstar unter den Fabelwesen. Sein Mythos geht auf den Aberglauben zurück, dass das Trinken von Blut neues Leben spendet. Der Vampir ist demnach ein wiederbelebter menschlicher Leichnam auf Nahrungssuche. Sein bekanntester Vertreter: der Rumäne Dracula. Ein Vampir schläft im Sarg, hat spitze Eckzähne, um die Halsschlagader seines Opfers anzuzapfen, und er ist unsterblich – es sei denn, man schlägt ihm einen Holzpflock mitten durchs Herz oder köpft ihn. Auch mit Weihwasser, Knoblauch und einem Kruzifix sind schreckhafte Reisende in Transsilvanien, Bulgarien oder Albanien gut ausgerüstet.

Wolpertinger, Bayern

Wer im Freistaat Urlaub macht, hat gute Chancen, bei der Einkehr im Wirtshaus einen echten Wolpertinger zu erleben – Tierpräparatoren sei Dank. Leichtgläubige Touristen, die eines der legendären bayerischen Fabelwesen ihr Eigen nennen wollten, gab es früher offenbar viele. Jeder Wolpertinger scheint einzigartig, unterschiedliche Tierarten geben ihm ein Gesicht. Oft hat er einen gehörnten Hasenkopf und Flügel statt Vorderläufe. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, wie auch die Legende zeigt: Einen echten Wolpertinger können nur junge, hübsche Frauen bei Vollmond erblicken, wenn sie vom Mannsbild in den Wald begleitet werden. Da haben sich die Bayern sicher etwas bei gedacht…

(dpa)