Urlaub auf der Insel Astypalea: zu Gast bei Freunden


In der Inselgruppe des Dodekanes liegt ein kleines Juwel: Astypalea. Dort ist vieles noch nicht touristisch erschlossen. Was für ein Glück – für Insel und Touristen.

Bettina Mohn kraxelt über die Felsen, in der Hand einen Korb. Sie sucht nach allem, was die karge Natur hergibt. Thymian, Salbei, Seefenchel. Und Salz. Wenn das Meerwasser unter der heißen Sonne verdampft, bleibt feinstes Meersalz zurück. „Das Salz braucht man nicht zu kaufen, wenn man auf der Insel lebt“, sagt Mohn.

Astypalea in der südlichen Ägäis ist ein Winzling und hat doch viel zu bieten. „Zu jeder Jahreszeit hat etwas anderes Saison, und genau das wird dann zubereitet“, erklärt die Deutsche, die vor mehr als zwei Jahrzehnten aus dem Rhein-Main-Gebiet ausgewandert ist. Auch in der urigen Taverne am Strand von Livadia werden traditionelle Gerichte mit ungewöhnlichen Zutaten gekocht. Da kommen Granatäpfel und eingelegte Zitronen in den Reissalat. Aus den frischen Doraden, die die Fischer jeden Tag fangen, wird ein Tartar gemacht.

Den Gästen gefällt die Küche – den Einheimischen genauso wie den Touristen. Beide Gruppen mischen sich auf Astypalea. Allein sitzt man nicht lange am Tisch. Spätestens zum Ouzo rücken alle an der großen Tafel zusammen. Mancher Besucher spricht Griechisch, mancher ein paar Brocken Deutsch – doch mit Englisch kommt man am besten ins Gespräch.

Taku kommt aus Finnland, ihr Freund Giorgios lebt in Athen. Mehrmals im Jahr kommen beide nach Astypalea, für mehrere Wochen. Edeltraud lebt in Graz und verbringt meist ein halbes Jahr am Stück auf der Insel, die sie wegen ihrer Form auch Schmetterling nennen. Shirley und Peter sind aus England – und auch sie sieht man immer wieder auf ihrem Mofa über die Hügel sausen. Zeit für einen Schluck Ouzo oder eine lebhafte Diskussion haben hier alle. Nichts treibt sie an. Jeder kennt hier jeden.

Das ist kein Kunststück auf einer Insel mit 1100 Bewohnern. Im August aber, wenn in Griechenland alle Ferien haben, kann es passieren, dass die insgesamt 5000 Betten ausgebucht sind. Sonst aber ist es still. Gemütlich. Das größte Hotel hat 28 Zimmer und liegt am Hang mit Blick auf die Chora, den größten Ort der Insel. Auf dessen Anhöhe thronen die Ruinen einer alten Festung.

„Hier oben haben einst Hunderte Menschen gelebt, um sich vor den Angriffen der Piraten zu schützen, die im Mittelmeer unterwegs waren“, sagt Maria Kampouri. Sie ist Historikerin und die zweite Bürgermeisterin der Insel. Tagsüber gingen die Menschen damals auf die Felder, die sie in den eigentlich eher kargen Bergen in der Umgebung terrassenförmig angelegt hatten. „Viele dieser Terrassen kann man heute noch sehen“, sagt sie.

Einen wahren Urwald von einem Garten gibt es oberhalb des Agios Ioannis, einem abgelegenen kleinen Strand. Einst lebte hier eine alte Frau, ganz allein in einem weiß gekalkten Haus auf dem Hügel. „Sie hat sich auch um den Garten gekümmert“, erzählt Auswanderin Mohn.

Heute kann jeder in den Garten hinein und pflücken, was gerade reif ist: Granatäpfel, Weintrauben, Mandarinen. Auf den Bergen drumherum: wilder Salbei, der unter der Mittelmeersonne seinen Duft verströmt.

„Die Pflanzen bekommen recht wenig Wasser, denn es regnet nur im Winter – wenn überhaupt“, sagt Mohn. Darum seien Geschmack und Duft besonders intensiv. Sie pflückt und sammelt die Kräuter und alles andere, was die Natur hergibt – vor allem im Frühjahr.

Und sie verarbeitet sie zu Produkten, die sie auch nach Deutschland verkauft. Getrocknete Kräuter sowieso, aber auch eingelegte Zitronen, Chutneys oder Konfitüre. Neuerdings betreibt sie ihr eigenes Bistro „Safran“. In dem einstigen traditionellen Kafenio im Hafen bekocht sie ihre Gäste mit einheimischen Gerichten und neuen Kreationen.

Die Bienen auf Astypalea haben ihre Freude an dem wilden Thymian, der teils ganze Berghänge bedeckt. Überall sieht man hellblaue Kisten, in denen die Menschen ihre Bienen halten. Bis zu 80 Prozent des Honigs stammen vom Thymian, sagt Giorgios. Er ist so um die 80 und lebt auf seiner Farm mit mehr als 200 Ziegen und einigen Dutzend Schafen zusammen. Und er macht neben seinem eigenen Honig Käse aus Ziegenmilch, nach Art seiner Vorväter.

Hart ist der Käse und kräftig – passend zu den süßen Früchten und den reifen Tomaten, die er aufgetischt hat. Zwar stehe eine moderne Maschine in seinem Schuppen, erklärt Giorgios, mit der er mehr Käse produzieren könnte. Doch die Anschaffung hat einen Haken: Es gibt keinen Strom in dem Raum. Also macht er weiter wie bisher, in einem Kupferkessel, mit Handarbeit und viel Gefühl. Neben frischem Fisch und Meeresfrüchten steht Ziegenfleisch auch auf den Speisekarten vieler Tavernen. Auch bei Linda, die in Kaminakia direkt am Strand ein uriges Restaurant betreibt. Hinter dem Haus: ein Garten mit allerlei Obst, Gemüse, Kräutern – und Trauben.

Linda macht auch Wein, einen süßen roten – wie sie ihn traditionell hier auf der Insel keltern. In einem Holzofen backt sie mehrmals pro Woche Brot, das sie mit Anis würzt. Die Ziegen, die von den Hängen rund um den Strand meckern, kommen freiwillig zum Melken zu ihr, wenn es an der Zeit ist. Und dann macht sie auch Käse. „Ich habe alle Produkte hier, die ich zum Kochen brauche“, sagt sie. Was sie nicht hat, das gibt es einfach nicht.

So halten es die meisten Restaurants auf der Insel. Morgens schauen die Besitzer bei den Fischern vorbei und kaufen ein, was am Abend gekocht wird. Oder sie fahren selbst mit einem Boot raus und fangen, was sie erwischen. Wer nicht selbst paddeln will, kann ein Boot chartern. Denn wunderschöne Buchten im türkisblauen Wasser, die gibt es auf der kleinen Insel Astypalea auch. (dpa)