Kaffeekäse und Iglu-Nächte auf Rentierfellen


Von Julia Wäschenbach

Nordschweden ist nichts für Frostbeulen. Wer sich aber bei minus 22 Grad noch aus dem Haus traut, kann in der bizarren Winterwunderwelt Lapplands Einmaliges erleben. Zum Beispiel eine Nacht im Iglu.

Abgeschiedener geht es kaum. Auf einem Landzipfel zwischen zwei Seen, nur ganz knapp südlich vom Polarkreis im nordschwedischen Lappland, liegt das verschneite Nest Arjeplog.

Fährt man aus dem winzigen Ort mit seinen bunten Holzhäuschen heraus, kann man viele Kilometer weit über die eisbedeckten Straßen fahren, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Das bizarre Winterwunderland ist die perfekte Kulisse für Schneemobiltouren, Hundeschlittenfahrten – und Übernachtungen im Iglu. Bei Temperaturen von minus 22 Grad im Winter nur etwas für Hartgesottene? Von wegen!

Während es draußen so frostig ist, dass man sich trotz Thermo-Shirts nach wenigen Minuten ins Warme wünscht, herrschen im Iglu-Hotel in Arjeplog Temperaturen um den Gefrierpunkt. „Das liegt daran, dass der Schnee dämmt“, sagt Geschäftsführer Daniel Knab. Am Empfang duftet es nach Glühwein, die Bänke in der Lounge sind mit Rentierfellen ausgelegt, die eisigen Wände in warmes lila Licht getaucht.

„Das ganze Ding hier entsteht jedes Jahr neu“, sagt Knab. Auf 900 Quadratmetern bauen der Düsseldorfer und sein Team ab November eine Iglu-Landschaft aus zehn Schlaf-Iglus, einer Bar, Gemeinschaftsräumen und verschlungenen Gängen. Wenn das Wetter mitspielt, dauert das sechs bis acht Wochen. Im Januar kommen die ersten Gäste.

Zweieinhalb Autostunden weiter nordöstlich steht im Garten der Hostel-Betreiberin Cecilia Lundin in Jokkmokk eine rundgeschliffene Höhle aus Schnee und Eis. Die 39-Jährige nennt ihr selbstgebautes Domizil nicht Iglu, sondern „Snowball“ – Schneeball. Dabei handelt es sich tatsächlich um einen riesigen Ball aus zusammengepresstem Schnee, in den Lundin nach und nach ein immer größeres Loch gräbt, bis die Wände 30 bis 45 Zentimeter dick sind. Drinnen liegen die Gäste in warme Polarschlafsäcke gekuschelt.

„Manche Leute wollen es nur für ein paar Stunden ausprobieren, dann können sie sich in ein warmes Zimmer im Hostel zurückziehen“, sagt Lundin. Das Gästehaus mit 41 Betten betreibt die Schwedin derzeit alleine, serviert Frühstück, wäscht das Geschirr, bringt den Müll raus. Anfang Februar ist es noch wuseliger als sonst, denn dann reisen Schwärme von Touristen zum Wintermarkt in Jokkmokk an.

Der Ort mit nur zwei Hauptstraßen gilt als Zentrum der Kultur der Samen in Nordschweden. Hier handelte das europäische Urvolk der Samen vor 400 Jahren das erste Mal mit Rentierfellen und Fleisch. Den Wintermarkt gibt es immer noch. Für die knapp 2.800 Einwohner ist er das Highlight des Jahres. Stände mit Elchwürsten und flauschigen Wollpullovern reihen sich für drei Tage Anfang Februar aneinander.

An einer Bude steht mit großen Buchstaben auf einem Neonschild „Kaffeost“ – „Kaffeekäse“. Tatsächlich schwimmen im liebsten Heißgetränk der Nordschweden Stückchen eines Käses, der beim Kauen quietscht wie Halloumi. Viel Eigengeschmack hat der Kuhmilchkäse nicht, er löst sich auch nicht ganz im Kaffee auf, vielmehr nimmt er etwas von dessen Geschmack beim Trinken an. Der Kaffee schmeckt dann, als hätte man Sahne oder dicke Milch ins Getränk getan.

Sie habe sich schlappgelacht, als sie zum ersten Mal Käsekaffee getrunken habe, sagt die Stockholmerin Eva Gunnare, die seit fast 30 Jahren in Nordschweden lebt. „Dieses Geräusch! Quietsch, quietsch, quietsch“, erzählt sie. „Aber wenn man sich daran gewöhnt hat, fühlt es sich nackt an, Kaffee ohne zu trinken.“ Als 20-Jährige verliebte sich Gunnare in die Natur im Norden – und in einen Samen, mit dem sie viele Jahre verheiratet war und einen Sohn hat. In ihrem Holzhäuschen verwöhnt sie Urlaubergruppen von Zeit und Zeit mit Snacks, Tees und Säften, die sie aus heimischen Pflanzen herstellt.

Aus Blaubeeren werden gesunde Süßigkeiten, aus Pinienrinde Grissini und aus getrockneten Johannisbeerblättern macht Gunnare Tee. Weil sie öfter auch deutsche Gruppen zu sich einlädt, kennt sie von vielen Pflanzen den deutschen Namen. Engelwurz etwa, oder Löwenzahn. Nach einer Stunde in ihrer kuscheligen Hütte will man sich gar nicht wieder hinaus in die Kälte wagen – geschweige denn dort übernachten.

Doch genau das ist der Plan. Beim abendlichen Spaziergang durch das winzige Arjeplog knirscht der tiefe Schnee unter den Stiefeln, es ist das Geräusch, das einen hier überall begleitet. Im Iglu-Hotel hat sich eine Gruppe Ingenieure aus der Autoindustrie zur Afterwork-Party versammelt, es läuft Schlagermusik.

In einem Aufenthaltsraum spielen zwei von ihnen Tischfußball. Ein paar Meter weiter die Gänge entlang entfaltet sich hinter einer Tür eine ganz andere Welt. Unter freiem Himmel sind hier drei Whirlpools in den Boden eingelassen. Wer erst einmal seine Zehen auftauen will, bevor er sich im Schlaf-Iglu auf Rentierfellen niederlässt, kann hier im 40 Grad warmem Wasser entspannen und in die Sterne gucken. Das ist fast noch schöner, als später im Iglu in den Schlafsack zu kriechen. (dpa)

 

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