Verfilmung als Geschenk: „Das Geheimnis des Fahrradhändlers“



Paul Tamburin ist Fahrradhändler in einem kleinen Dorf auf dem Land. Nach außen führt er ein zufriedenes Leben, doch der Anschein trügt. Jean-Jacques Sempé hat den Bildband „Das Geheimnis des Fahrradhändlers“ 1995 veröffentlicht. Nun wurde die von ihm geschriebene und illustrierte Geschichte von Pierre Godeau („Down By Love“) verfilmt.

Ein schöneres Geschenk zu seinem 85. Geburtstag am 17. August hätte sich der französische Zeichenkünstler, der durch die Lausbubenabenteuer des kleinen Nick weltbekannt wurde, nicht wünschen können. Denn das Fahrrad hat in seinem Leben eine wichtige Rolle gespielt.

Er sei sein ganzes Leben lang geradelt, auch in Paris, sagte Sempé in einem Gespräch. Fahrradfahren habe ihm immer Freude bereitet, wie er erklärte. Als Jugendlicher habe er sich mit dem Fahrrad auch als Weinauslieferer sein Geld verdient. Heute erlaubt es ihm seine Konstitution nicht mehr, auf das Vehikel zu steigen.

Trotz seines geschwächten Gesundheitszustands ließ es sich der Zeichenkünstler nicht nehmen, bei den Dreharbeiten im Juni in dem Dorf Venterol in der Provence überraschend aufzutauchen. Das Erscheinungsdatum des Films, in dem das unschlagbare Komikerduo Benoît Poelvoorde und Edouard Baer die Hauptrollen spielen, ist noch nicht bekannt.

Sempé erzählt und illustriert seit mehr als 60 Jahren Geschichten. Eine die jeder kennt, ist „Der kleine Nick“, die er zusammen mit dem 1977 verstorbenen René Goscinny erfunden hat. Die verrückten Einfälle des Dreikäsehochs haben sich millionenfach verkauft und sind in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Im Jahr 2009 kamen seine Abenteuer erstmals auf die Leinwand. Fünf Jahre später schickte der französische Regisseur Laurent Tirard die Zuschauer erneut auf Zeitreise in die 60er Jahre, in denen die Lausbubengeschichten entstanden sind.

Heroismus im Alltag

Sempé bringe das Menschliche in uns zum Ausdruck, sagte Poelvoorde. Der Belgier spielt in der neuen Verfilmung den Fahrradhändler Tamburin. Er sei Sempé-Fan und kenne alle seine Geschichten, deshalb habe er zu dem Film auch sofort ja gesagt, sagte er in einem Interview der Deutschen Presse- Agentur während der Dreharbeiten.

Für Poelvoorde stellen die Geschichten den Heroismus im Alltag und der kleinen Leute dar. „Ihre kleinen Laschheiten und Falschheiten, ihre großen und kleinen Freuden und Enttäuschungen“, erklärte er seine Sempé-Begeisterung weiter. Und dazu gehört es, den Kleinbürger und Spießer in uns aufzudecken, seine Erfahrungen als Vater in den Kleinen-Nick-Geschichten zu karikieren, den modernen Manager auf dem Flughafen ins Visier zu nehmen ebenso wie den gelangweilten Bootsbesitzer in Saint-Tropez.

Sempé analysiert und ordnet die Welt und die Menschen. Kleine Menschen – auch Erwachsene – in überdimensionierten Straßenschluchten gehören zu seinen Lieblingsmotiven. Sie wirken oft verloren, sind aber nie ohne ein Augenzwinkern gezeichnet. Denn seine Protagonisten zeichnet er mit liebevoll-ironischem Strich.

Auch „Das Geheimnis des Fahrradhändlers“ ist eine Geschichte mit philosophischem Hintergrund. Sie handelt von jemandem, der vorgibt, ein anderer zu sein. Denn Tamburin kann zwar Zweiräder reparieren, aber nicht auf ihnen fahren. Um nicht zum Gespött der anderen zu werden, lässt er sich deshalb so manche Notlüge einfallen. In Deutschland kam der Bildband in einer Übersetzung von Patrick Süskind im Jahr 2009 in den Buchhandel.

Einen tieferen Blick auf seine eigene Vergangenheit warf er in dem Werk „Kindheiten“. Darin erfährt man, dass seine eigene Zeit als Dreikäsehoch in Bordeaux gar nicht glücklich war. Seine Eltern stritten oft und hatten Geldprobleme, und die Schulzeit war für den Sohn eines Lebensmittelhändlers trostlos. Wegen Ungezogenheit flog er von der Schule. Mit 18 ging er dann nach Paris, wo er sich unter anderem als Weinauslieferer durchschlug – mit dem Fahrrad.

Sein Zeichentalent war in der Schule schon erkannt worden, doch erst ab 1957 konnte er sich als Karikaturist für verschiedene Medien, darunter die französischen Wochenmagazine „Paris Match“ und „L’Express“ und die amerikanische Zeitschrift „The New Yorker“, seinen Lebensunterhalt verdienen.

Heute kann Sempé auf mehr als 40 Bildbände zurückblicken. An seinem großen Schreibtisch in Paris arbeitet er noch immer, nur nicht mehr so schnell wie noch vor 20 Jahren und mit einer Lupe. Er sei langsam geworden und das nerve ihn ungemein, sagte er jüngst. Erst 2015 erschien „Sincères amitiés“ (aufrechte Freundschaften). (dpa)