Es gibt sogar schon selbstreinigende Böden

Von Jana Illhardt

Das mitnehmbare Parkett? Riesige Fliesen? Und der Teppich als Wecker? Sein Alarm hört erst auf, wenn man sich auf ihn stellt. Ideen wie diese treiben die Firmen für Bodenbeläge an. Eine sonst kaum beachtete Branche sprüht aktuell geradezu vor Kreativität und Ideen. Die Zeiten, in denen wir nur einen einzigen Bodenbelag fürs ganze Leben verlegen, sind vorbei. Mehr noch: „Der Boden wird heute als Designelement in einem Raum betrachtet, nicht mehr nur als eine Notwendigkeit“, sagt Susanne Schmidhuber. „Er wird Teil der Rauminszenierung.“ Schmidhuber hat das Konzept der Weltleitmesse für Teppiche und Bodenbeläge Domotex entwickelt, die wie üblich im Januar in Hannover stattfand..

Der Teppich, das Laminat, Vinylboden – als Hingucker und Schmuck des Raumes? Das bietet den Herstellern viele Möglichkeiten, ihre Kreativität auszuleben und ihre Produktpalette auszubauen. „Das Angebot wächst rasant, sowohl was die Materialien als auch deren Zusammensetzungen und Designs betrifft“, bestätigt Richard Kille, Sachverständiger für Fußbodentechnik und Raumausstattung aus Köln. Dabei seien zwar mehrere richtungweisende Strömungen zu beobachten. Vor allem aber geht es um Individualität, denn der allgemeine gesellschaftliche Wunsch nach Einzigartigkeit bestimmt die Branche.

„Alle Produkte werden immer stärker personalisiert und individualisiert“, sagt Messeexpertin Schmidhuber. Möglich ist das wiederum dank des technologischen Fortschritts. „Es ist heute kein Problem, kleine Stückzahlen zu produzieren, ohne damit die Preise in die Höhe zu treiben“, weiß der Architekt Peter Ippolito, Vorsitzender der Domotex-Jury für die Trendauswahl „Framing Trends“. Vor wenigen Jahren noch mussten die Hersteller in großen Mengen produzieren. Und wer etwas abseits des Massenmarktes suchte, musste dafür tief in die Tasche greifen. Das ist nun anders. Einhergehend mit dem Wunsch, dem Boden immer mal wieder einen neuen Look zu verpassen, hat sich auch die Art des Verlegens gewandelt. Es wird nicht mehr geklebt, sondern schwimmend, also mit Klicksystemen, oder lose verlegt.

Es geht auch ohne den Bodenverleger.

Das hat zum einen den Vorteil, dass der Untergrund, der beim Entfernen eines alten verklebten Belags schon mal beschädigt wird, nicht jedes Mal neu vorbereitet werden muss. Zum anderen wird das Verlegen einfacher, ein Bodenleger wird nicht mehr zwingend gebraucht. Und: Der Belag lässt sich einfacher wiederverwenden und beim Umzug mitnehmen. „Das wiederum wird unserem modernen Nomadentum gerecht“, findet Schmidhuber.

„Die Veränderbarkeit spielt heute eine ganz große Rolle“, betont auch Jury-Chef Ippolito. Das hat zugleich zur Folge, dass nun Planken und Fliesen den Markt dominieren. Sie sind zumeist auf Vinyl gefertigt, „haben aber nicht mehr den seriellen Look wie noch vor ein paar Jahren.“ Zugleich werden Feinsteinzeugfliesen beliebter. Die übliche Standardgröße 60 mal 60 Zentimeter verändert sich dabei. „Jetzt haben wir Großfliesen von 3 mal 1 Meter oder mehr“, erklärt der Architekt.

Auch das Design verändert sich stetig, ebenfalls dank der besseren Produktionsmöglichkeiten. „Eine Feinsteinzeugfliese in Holzoptik galt früher als peinlich, heute ist sie überzeugend im Design“, meint Ippolito. „Es lässt sich oft visuell kaum ein Unterschied zum Echtholzboden erkennen.“ Zudem habe sich die taktile Qualität verbessert: „Sie verfügen über Prägematrizen, die eine täuschend realitätsnahe Oberfläche erzeugen.“

Teppich gewinnt wieder an Bedeutung.

Außerdem wird es bunter unter den Füßen: „Grün, Braun, Beige und Orange sind die gefragtesten Farben, denn sie tragen zu einem kuscheligen Raumgefühl bei“, sagt Teppichexperte Kille. „Glatte, glänzende Oberflächen in Betonoptik, wie wir sie in den vergangenen Jahren hatten, treten in den Hintergrund.“

Deshalb wächst auch wieder die Bedeutung des Teppichs. „Er war in den vergangenen zehn Jahren fast schon verpönt“, so Kille. Jetzt bringe er einen Hauch Natürlichkeit zurück ins Haus: „Wir legen ein Zebra- oder Schafwollfell über einen anderen Teppich oder Bodenbelag. Das trägt zur Gemütlichkeit bei und ist zugleich ein toller Hingucker.“

Überhaupt werden Materialoptiken häufiger miteinander gemixt, und zwar in dreierlei Hinsicht: „Wir sehen verstärkt textile Bodenbeläge, die aus dem gleichen Material gefertigt sind, aber mal mit harter, rippenartiger Oberfläche und mal flauschig“, beschreibt Schmidhuber. „Als Fliesen können sie abwechselnd verlegt werden und erzeugen so eine gewisse Spannung und zugleich Homogenität im Raum.“ Zudem werden kleine Teppiche auf PVC-Designplanken oder Parkettböden gelegt.

Und die Beläge in sich werden aus verschiedenen Materialien gefertigt. Die Hersteller werden kreativer. Sie bedienen sich der Natur und arbeiten nachhaltige Rohstoffe wie Reishülsen oder Bambus in ihre Bodenbeläge ein. Der Drang, sich mit natürlichen Rohstoffen und Materialien zu beschäftigen, ist enorm. Es werden sogar Blätter und Zweige miteinander verpresst und verarbeitet. Wenngleich es sich bei einigen der Exponate auf der Domotex noch um Prototypen handelt, zeigen sie doch, was die nähere Zukunft bringen wird. „Da sehen wir beispielsweise sich selbstreinigende Böden“, verrät Schmidhuber. „Ich habe einen gerollten Teppich gesehen, der an die Steckdose angeschlossen wird, sich leicht erwärmt und ein antibakterielles Mittel ausströmen lässt.“

Andere Hersteller verbauen Sensoren, die registrieren, wenn ein Mensch hinfällt, und dann einen Alarm auslösen. „Es gibt auch Matten, die als Wecker fungieren. Sie schlagen Alarm und gehen erst aus, wenn man sich mit dem gesamten Körpergewicht auf sie stellt“, berichtet Schmidhuber. Das seien zwar alles noch Unikate. Sie belegen jedoch, wie intensiv sich die Branche mit dem Thema beschäftigt. (dpa)