Lauren Hutton: Supermodel mit Lücke zwischen den Schneidezähnen

Sie ist keine klassische Schönheit: eine Lücke zwischen den Schneidezähnen, kleiner Silberblick, die Nase leicht schief. Doch Model Lauren Hutton ist auch mit 75 noch im Geschäft.

Ihre Chancen waren denkbar schlecht, eines der bestbezahlten Supermodels Amerikas zu werden.

Als Lauren Hutton Mitte der 60er Jahre in New York bei Agenturen anklopfte, bekam sie eine Abfuhr: zu alt (mit 22), zu klein (bei 1,70 Metern), eine zu große Lücke zwischen den Schneidezähnen und nach eigenem Bekunden eine „knollige, krumme“ Nase, wie Hutton einst der „New York Times“ erzählte. Auch Eileen Ford, die legendäre Gründerin der New Yorker Modelagentur Ford Models, habe ihr gleich empfohlen, ihre Nase richten zu lassen. Hutton weigerte sich, wurde am Ende aber doch unter Vertrag genommen und wurde zu einem von Fords berühmtesten Models. Als Naturschönheit mit frech-erotischer Ausstrahlung hob sich Hutton von den stark geschminkten Models der 60er ab. Sie war plötzlich das neue Gesicht.

Mehr als 50 Jahre danach flaniert sie immer noch über Laufstege. Hutton, die am 17. November 75 Jahre alt wurde, steht vor Filmkameras und prangt auf den Titelseiten von Modemagazinen. Die zarte, blonde Amerikanerin, die als Supermodel der ersten Stunde gilt, machte mit 73 Unterwäschewerbung für Calvin Klein. Kurz vor ihrem 74. Geburtstag machte sie Geschichte als das älteste Model auf dem Cover der italienischen „Vogue“. Dies sei die wichtigste Titelseite ihrer Karriere gewesen, sagte Hutton vorigen Herbst. Eine Frau ihres Alters auf dem Titel, die lacht, attraktiv und voller Leben ist, könne die Gesellschaft ändern, erklärte Hutton.

Als „Vogue“-Coverfrau hat Hutton einen Rekord aufgestellt, allein 27 Mal zierte sie die US-Ausgabe der Modezeitschrift, dazu weitere 13 Mal „Vogue“-Titel im Ausland.

Starfotografen wie Richard Avedon und Helmut Newton rissen sich um die Blondine. Mit 30 Jahren wurde sie als Revlon-Gesicht zum Millionen-Dollar-Model. Es war der erste Vertrag in der Branche, der ein Model exklusiv mit einer Kosmetikfirma verband. Hutton ebnete den Weg für Supermodels wie Cindy Crawford oder Christy Turlington.

Der Kosmetikvertrag mit Revlon lief aus, als sie 40 wurde, doch zehn Jahre später war sie wieder an Bord. Die Branche respektierte ihren Wunsch, ohne Schönheitsoperationen ihr wahres Alter zu zeigen. Mit 61 Jahren ließ Hutton für die Zeitschrift „Big“ die Hüllen fallen. Sie machte auch als Schauspielerin Karriere. 1970 drehte Hutton mit Robert Redford den Rennsportfilm „Stromer der Landstraße“. In „Ein Mann für gewisse Stunden“ (1980) wurde sie von Richard Gere verführt, in der Vampirkomödie „Einmal beißen bitte“ (1985) war Jim Carrey ihr Opfer. In diesem Jahr war sie an der Seite von Amy Schumer und Michelle Williams in der Komödie „I Feel Pretty“ in der Rolle als Gründerin einer luxuriösen Kosmetikfirma zu sehen. Privat ist sie eher lässig und abenteuerlustig. Hutton lebte im Busch in Afrika, fuhr mit dem Hundeschlitten durch die Arktis und machte Tiefseetauchen zu ihrem Hobby. Mit 56 wurde Hutton bei einem Motorradunfall schwer verletzt. Mit Kollegen wie Dennis Hopper und Jeremy Irons brauste sie damals durch die Wüste von Nevada. Hutton lag mit gebrochenen Armen und Beinen mehrere Wochen im Koma. Doch schon ein Jahr später saß sie für einen Werbespot wieder auf dem Motorrad. Sie habe keine Todessehnsucht, sagte sie damals der „Los Angeles Times“. Es sei vielmehr der Wunsch, das Leben zu erfahren. (dpa)