Der letzte feine Zwirn

Eine Mitarbeiterin bügelt Krawatten, | 4



Wer die Ascot-Manufaktur besucht, begibt sich auf eine gefühlte Zeitreise. Das Gebäude des Krefelder Traditionsunternehmens wirkt im Gegensatz zu hippen Start-ups nüchtern. Bei den Mitarbeitern in der Produktionshalle herrscht konzentrierte Ruhe. Nur das Rattern der Näh- und Strickmaschinen ist zu hören, von denen einige schon fast museumsreif sind.

So wie der Herstellungsprozess mit bis zu 20 Arbeitsschritten, wirkt auch das Produkt selbst wie aus einer anderen Zeit. Seitdem sogar in den Chefetagen mancher Dax-Konzerne Turnschuhe und Jeans getragen werden, scheint die Krawatte ausgedient zu haben.

Da widerspricht Barbara Pauen. Die Urenkelin der Firmengründer leitet mit ihrem Bruder das Unternehmen. „Die Masse trägt immer weniger Krawatten“, räumt Pauen ein. Aber: „Es wird immer Personen geben, die Wert auf ein hochwertiges Produkt legen und es sich auch leisten.“

Genau dort setzt Ascot an. Im Gegensatz zu den meisten anderen der einst 200 Krawatten-Unternehmen in Krefeld hatte sich Ascot bewusst dagegen entschieden, die Produktion ins günstigere Ausland zu verlagern. „Das war für uns die richtige Entscheidung“, sagt Pauen.

Krawatten sind auch Luxusware

So werden die Binder nach wie vor ganz oder teils in Handarbeit hergestellt – oft aus edlen Stoffen wie italienischer Seide. Zuschnitt, das Einarbeiten des Futters, Falten, Bügeln, Ziernähte und Etiketten anbringen – bis zu 20 Arbeitsschritte sind nötig.

So sei die Qualität auf dem für Ascot maßgeblichen hochpreisigen Segmentmarkt gesichert, sagt Pauen. Ab 40 Euro sind bei Ascot Binder zu haben. Billige Massenware aus China sei anders als bei anderen Krefelder Krawattiers daher weniger zum Problem geworden, sagt Pauen.

Zu den Abnehmern gehören entsprechend auch Luxuslabels. „Alle Strickkrawatten von Hermès stammen von uns“, berichtet Pauen. So finden sich die Krawatten aus Krefeld sogar weltweit. Betriebsleiter Stefan Vierkötter deutet beim Rundgang auf ein voll bepacktes Regal: „3000 Krawatten, die gehen an einen japanischen Großkunden.“

Doch von ehemals 15 Millionen Euro in den Hochzeiten sei der Umsatz auf fünf bis sieben Millionen Euro im Jahr gesunken. „Aber man kann immer noch Geld verdienen“, betont Pauen. Im Krawattengeschäft gehe es darum, Täler zu überstehen. „Und das geht manchmal leider nur mit Personalabbau“, so die 54-Jährige. Hatte Ascot einst mehrere hundert Mitarbeiter, seien es mittlerweile zwischen 50 und 60.

„Die Krawatte ist sicher ein Teil der Krefelder Identität“, berichtet eine Sprecherin der „Samt- und Seidestadt“. Aus Krefeld stammen noch immer rund 80 Prozent der deutschen Schlipse. Von großer wirtschaftlicher Bedeutung sei die Branche aber nicht mehr. Für Gesamtdeutschland sieht es ähnlich aus.

Die deutschen Verbraucher kaufen laut Angaben des Gesamtverbands der deutschen Textil- und Modeindustrie jährlich für 70 Milliarden Euro Kleidung. Aber der Markt für Krawatten und Fliegen wird immer kleiner: So belief sich der Inlandsumsatz 2015 laut Verband auf etwa 15 Millionen Euro. 2011 waren es noch rund 25,5 Millionen Euro.

Obwohl Krawatten einen winzigen Anteil an der gesamten Textilbranche Deutschlands ausmachen, ganz will sich die Bekleidungsindustrie nicht von ihnen verabschieden. So kürt das Deutsche Modeinstitut in Köln jährlich den „Krawattenmann des Jahres“. Und auch der Sprecher des Gesamtverbands der deutschen Textilbranche, Hartmut Spiesecke, ist sicher, dass der Binder als Stilelement besteht: „Die Krawatte ist eine der wenigen Schmuck-Möglichkeiten für den Mann – ein Nasenring steht ja nun nicht jedem.“ (dpa)