Siegeszug der Elektronik im Auto nicht aufzuhalten

Der Trend ist seit Jahren unverkennbar: Hinterm Steuer machen immer häufiger mechanische Lösungen elektronischen Bauteilen Platz. Für den Fahrer steigt dadurch der Komfort. Doch die Elektronisierung birgt auch Gefahren. Und nicht alles, was bequem ist, ist auch sinnvoll.

Rechts ist sie nicht – und links auch nicht. Gesucht: die Handbremse. In immer mehr Neuwagen fehlt der lange Griff, bei dem der Autofahrer schon anhand der Einrastungen hören kann, wie die mechanische Bremskraft aufgebaut wird. „Das erledigen bei vielen neuen Fahrzeugmodellen mit elektrischer Feststellbremse so genannte Aktuatoren“, sagt Heiko Wolframm vom ADAC.

Damit gemeint sind Antriebselemente, die elektrischen Strom in eine mechanische Bewegung umwandeln. „Der Fahrer tippt einfach einen Kippschalter in der Mittelkonsole an, und in dem Moment wird elektrisch die maximale Bremskraft auf die Räder ausgeübt.“ Kombiniert seien diese Systeme meist mit einer Berganfahrhilfe, so dass niemand Angst haben müsse, dass der Wagen nach hinten wegrollt.

Die Handbremse im handlichen Kippschalterformat ist aber nur ein Beispiel dafür, dass immer mehr elektronische Komponenten ins Cockpit einziehen: Digitale Anzeigetafeln ersetzen den klassischen Tacho, in Entertainmentsysteme integrierte Klimaanlagen machen Heizungsregler überflüssig. Und statt den Zündschlüssel umzudrehen, drücken viele Autofahrer nur noch auf einen Knopf.

„In der Regel geht es bei elektronischen Elementen im Fahrzeugcockpit um einen Komfort- und Sicherheitsgewinn“, heißt es beim Autozulieferer Continental. Die Elektronik und ihre Möglichkeiten helfen dabei, auch eine sinnvolle Struktur in die Vielzahl der Funktionen zu bringen. Würde man alle Funktionen nur über einzelne Knöpfe und Regler bedienbar machen wollen, bräuchte man hunderte verschiedener Schalter. In vielen Autos dient daher inzwischen ein zentraler Bildschirm als Informationsquelle. Der Fahrer muss dann nur noch auswählen, für welchen Bereich er Einstellungen vornehmen will.

Auf keinen Fall den Straßenverkehr aus dem Auge verlieren

Doch bei allem Komfortgewinn: Experten sehen auch Risiken: „Die Bedienung des Displays darf nicht dazu führen, dass der Autofahrer zu oft und zu lange den Blick von der Straße abwendet“, heißt es beim ADAC. „Etwa 90 Prozent des Straßenverkehrs wird über die Augen wahrgenommen, daher ist es sehr wichtig, dass Displays sich möglichst im peripheren Blickfeld befinden.“

Daneben spiele auch die Bedienung der Bildschirme eine wichtige Rolle. Ideal sei, wenn Displays mit normalen Schaltern kombiniert würden. Viele Touchscreens bieten keine Haptik, entsprechend können sie auch nicht blind bedient werden und lenken den Fahrer daher stark vom Straßenverkehr ab. Eine gute Sprachsteuerung könnte hier ebenso sinnvoll sein wie eben der klassische Drehregler oder Schalter.

Triebfeder der Elektronisierung im Cockpit ist auch der Smartphone-Boom der letzten Jahre. „Natürlich wollen die Fahrzeughersteller das ins Auto bringen, was der Kunde von zu Hause und von seinen Mobile Devices kennt“, sagt Markus Schaffrin vom Verband der Internetwirtschaft Eco). Dies jedoch sei auch höchst gefährlich. „Solange die Systeme im Auto weiterhin zusammengeführt bleiben und Luft-Schnittstellen nicht sicherer werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Autos gehackt und lahmgelegt werden.“

Besonders Überlegungen, ein Android-Smartphone als Schlüssel für ein Auto zu nutzen, hält der Internetexperte für fahrlässig. „Bei Android taucht durchschnittlich alle neun Sekunden ein neuer Schädling im System auf.“

Um diesen Gefahren zu begegnen, will die Automobilindustrie bereits in der Entwicklung Maßnahmen umsetzen. Zum Beispiel die Trennung sicherheitsrelevanter von komfortorientierten Entertainmentfunktionen in der Elektronikarchitektur sowie die Nutzung etablierter Sicherheitsmechanismen bei den verwendeten Schnittstellen im Fahrzeug. Grundsätzlich habe die Elektronik für deutlich mehr Sicherheit und Komfort in den Autos gesorgt, allein schon durch die Navigationssysteme. „Früher war man mit dem Atlas auf dem Beifahrersitz unterwegs und damit deutlich mehr abgelenkt, als durch die heutigen Navis, die die Routenführung fast metergenau per Sprachausgabe übermitteln.“

Derweil forschen Wissenschaftler wie Roland Jancke vom Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) an der Zuverlässigkeit elektronischer Autosysteme. „Viele elektronische Elemente wurden für den Heimgebrauch entwickelt, also beispielsweise für das Smartphone“, sagt Jancke. „In einem Auto jedoch sind die Rahmenbedingungen ganz andere, hier müssen Komponenten 20 Jahre halten und sind daneben noch starken Temperaturschwankungen ausgesetzt.“

Auch müsse einem Ausfall der Elektronik vorgebeugt werden. In einem Flugzeug sorgen dann parallele Systeme dafür, dass die wichtigsten Funktionen weiter vorhanden sind. Für ein Auto jedoch wäre das zu aufwändig und zu teuer. Hier müssten andere Back-up-Lösungen gefunden werden. Eine große Rolle im Auto könnte zukünftig zudem die Künstliche Intelligenz spielen, etwa wenn es darum gehe, dass aus Daten im Fahrzeug Rückschlüsse gezogen werden.

Fahrer kann mit dem Sprachcomputer aufgefordert werden

Realität ist diese direkte Kommunikation zwischen Auto und Fahrer zum Teil schon heute. Wenn beispielsweise das Fenster geöffnet ist und gleichzeitig die Klimaanlage läuft, kann das System dem Fahrer per Sprachausgabe den Ratschlag geben, das Fenster zu schließen, um Energie zu sparen.

Der Autofahrer wiederum kann dann entscheiden, ob er hierzu noch mehr Informationen abfragen wolle, oder nicht. Nina Wahn vom ADAC hält diese Möglichkeiten der Interaktion zwischen Fahrer und Fahrzeug für durchaus sinnvoll. Sie warnt aber: „Letztlich darf es nicht dazu führen, dass der Autofahrer mehr mit der Kommunikation mit dem System beschäftigt ist, als mit dem Straßenverkehr.“ (dpa)