Die neuen SUVs der Luxusmarken

Torsten Müller-Ötvös trägt seine Schuhe meist auf Hochglanz poliert. Für ihn gehört das zum Job, schließlich führt er als Chef von Rolls-Royce die vielleicht nobelste Automarke der Welt. Doch in den vergangenen Monaten hat er sich buchstäblich die Hände schmutzig gemacht – und seine Schuhe gleich mit. Immer wieder war er mit den Prototypen eines neuen Modells auf ganz ungewohnten Strecken unterwegs, für Rolls-Royce zumindest: in der Wüste und der Wildnis, im Schlamm und im Schnee.

Im Herbst soll mit dem Cullinan der erste Geländewagen von Rolly-Royce auf den Markt kommen. Für die Briten ist das der Beginn einer neuen Ära, sagt Müller-Ötvos. „Seit Jahren haben uns die Kunden nach einem Auto gefragt, mit dem sie den Rolls-Royce-typischen Luxus in allen Lebenslagen und auf allen Strecken genießen können.“ Dabei denkt der Konzernchef nicht nur an die Steppe, sondern auch ans Shopping: Als bisher alltagstauglichster Rolls-Royce bietet der Cullinan zum Beispiel erstmals eine umklappbare Rückbank.

Das neue Modell wird über fünf Meter lang sein, angetrieben wird es von einem 420 kW/571 PS starken V12-Motor, der Preis dürfte über 300 000 Euro liegen. Seinen Namen hat der Cullinan vom größten Diamanten, der je gefunden wurde. Und das hat durchaus symbolischen Charakter. Denn SUVs sind für die Autobauer aktuell tatsächlich so wertvoll wie Edelsteine: Die Zulassungszahlen steigen ständig, und Analysten wie Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer sehen auch in Zukunft weiter wachsende Marktanteile.

28 Prozent der Neuzulassungen in Deutschland sind heute SUV. Vor zehn Jahren waren es lediglich 8 Prozent, wie der Professor der Universität Duisburg-Essen ermittelt hat. Er geht davon aus, dass spätestens 2019 die Marke von einer Million neuen SUV pro Jahr überschritten wird. Jedes dritte neue Auto wäre dann wohl ein SUV. Und im Rest der Welt sieht es kaum anders aus: Für China, immerhin der größte Automarkt der Welt, rechnen Analysten bei Volkswagen sogar mit einem SUV-Anteil von mehr als 50 Prozent.

Porsche ebnete den Weg mit dem Cayenne.

Da wundert es nicht, dass auch die Hersteller teurer Luxusautos ihren Teil vom Kuchen haben wollen, auch wenn das zu Beginn noch für Irritationen sorgte. Als Porsche 2002 den ersten Cayenne auf den Markt brachte, galt es sogar als Tabubruch, wenn ein Sportwagenhersteller einen Geländewagen baut. Doch inzwischen haben sich die Schwaben dank Cayenne und dem kleinen Bruder Macan fast zum SUV-Hersteller mit angeschlossener Sportwagenproduktion gewandelt – und die Gelände-Welle hat fast alle anderen Luxusmarken erfasst.

Zum Beispiel Bentley: Vor zwei Jahren brachten die Briten mit dem Bentayga einen Wettbewerber für Range Rover oder den Mercedes GLS auf den Markt. In diesem Frühjahr folgte Lamborghini mit dem Urus, dem selbsternannten „schnellsten SUV der Welt“. Und nun beginnt mit dem Cullinan eine neue Runde für die Schlammschlacht im Smoking. Denn natürlich sind die Briten mit ihren Plänen nicht alleine – auch andere teure Hersteller tüfteln an neuen SUVs.

So arbeitet die Rolls-Royce-Konzernmutter BMW zum Beispiel gerade am X7. Mit mehr als fünf Metern Länge und sieben Sitzen ab dem Frühjahr 2019 soll er das ohnehin große SUV-Programm der Bayern nach oben abrunden. Mit einem Preis, der nach Informationen aus Unternehmenskreisen bei etwa 80 000 Euro beginnt, ist er im Vergleich zum Cullinan aber geradezu günstig. Das gilt auch für den Q8, das neue Oberhaupt der SUV-Familie von Konkurrent Audi. Er soll sich allerdings weniger durch Größe, sondern eher durch Komfort von der Masse abheben. Deshalb wird er zwar teurer als der Q7, fällt aber sogar ein paar Zentimeter kleiner aus.

Eine echte Antwort auf den Cullinan könnte aus Stuttgart kommen. Dort versuchen Designer, dem Mercedes-Ableger Maybach mehr Eigenständigkeit zu geben und träumen mit der im Frühjahr in Peking präsentierten Studie Vision Ultimate Luxury von der ersten Geländelimousine in der Super-Luxus-Klasse. „Wir kombinieren die beiden erfolgreichsten Fahrzeugkonzepte der Welt“, sagt Designchef Gorden Wagener über das SUV mit Stufenheck, Loungesesseln in weißem Leder und jeder Menge Rosé-Gold im Innenraum – und vielleicht sogar mit Elektroantrieb.

Ein offizielles Go für die Studie gibt es zwar noch nicht, räumt Wagener ein. Doch verbindet er mit dem feuerroten Schaustück zumindest das Versprechen, dass sich die nächste Maybach-Version des Mercedes GLS deutlicher vom Standardmodell unterscheiden soll, als es aktuell zum Beispiel bei der S-Klasse der Fall ist. „Vor allem innen gibt die Studie darauf schon einen sehr konkreten Ausblick“, sagt Wagener – und bittet noch um ein gutes Jahr Geduld.

Die Nachfrage ungebrochen, die Tür zu neuen Kundengruppen sperrangelweit offen: Dieser Verlockung dürften in den nächsten Jahren noch weitere Luxushersteller erliegen. So hat zum Beispiel Aston Martin für das Ende des Jahrzehnts ein Crossover namens DBX angekündigt, kurz danach soll die noble Schwester Lagonda mit einem elektrischen SUV zurückkehren. Und der ehemalige Ferrari-Chef Luca di Montezemolo hatte einen Geländewagen aus Maranello zwar stets kategorisch abgelehnt. Seit seinem Abgang werden die Gerüchte über ein Super-SUV des Sportwagenherstellers aber immer lauter.

Nur eine Marke macht partout nicht mit beim Ritt auf der SUV-Welle: McLaren. (dpa)