70 Jahre Citroën Typ H - Wellblechhütte auf Rädern


Wir schreiben den Herbst 1947, der Krieg ist seit zwei Jahren vorbei. Auch in Frankreich geht es wieder aufwärts. Citroën trägt dem Aufschwung zum Pariser Salon mit einer besonderen Premiere Rechnung. Denn der hier vor 70 Jahren präsentierte Typ H sollte als wandlungsfähiger Kleintransporter die Bauern mobil machen, den Handel ankurbeln und die Wirtschaft in Schwung bringen. Mit Erfolg: An seinem charakteristischen Wellblechaufbau sofort zu erkennen, eroberte der Typ H im Nu das Straßenbild und wurde für Frankreich so typisch wie die dreirädrige Ape für Italien und der VW-Bus für das Deutschland der Wirtschaftswunderjahre.

Dabei waren die Citroën-Ingenieure ihrer Zeit mal wieder voraus, sagt Stephan Joest vom Dachverband der Clubs Amicale Citroën & DS. Denn mit dem Motor im Bug, dem Abtrieb an der Vorderachse, einem niedrigen Rahmen und einer selbsttragenden Karosserie gilt der Typ H als Vorreiter einer Bauform, die das ursprüngliche Heckmotor-Konzept des VW-Bus um Jahrzehnte überdauert hat und beim Transporter noch heute Stand der Technik ist.

Zwar ging das für damalige Verhältnisse revolutionäre Konstruktionsprinzip auf den Citroën TUB zurück, den die Franzosen bereits 1939 eingeführt hatten. Doch weil der Krieg dem TUB in die Quere kam und dessen Produktion schon nach nicht einmal 2000 Exemplaren wieder eingestellt werden musste, gilt heute der Typ H als Urvater des modernen Kastenwagens. Ein darüber hinaus angedachter kleinerer „Typ G“ schaffte es nicht zur Marktreife.

Dabei nennt Citroën als größten Vorteil der Konstruktion ihre große Vielseitigkeit zu kleinen Kosten. Weil keine Kardanwelle nach hinten benötigt wurde, konnten die Ingenieure nicht nur einen flachen Ladeboden verwirklichen, sondern auch bei allen Versionen denselben Antriebsstrang verwenden. Der im Geist von Flugzeugen wie der Junkers JU 52 zwecks Gewichtsreduktion und Stabilität aus Wellblech konstruierte Aufbau war deshalb „Meterware“. So konnten der Radstand um 60, 100 oder 120 und der hintere Überhang noch einmal um 60 Zentimeter verlängert werden. Wer dann auch noch ein Hochdach dazu bestellt hat, kam auf 17 statt 7 Kubikmeter Stauraum, der durch eine Schiebetür und die dreigeteilte Heckklappe leicht zu beladen war. Und weil der Typ H häufig als Kaufladen oder Imbissbude unterwegs war, gab es nicht nur eine ausklappbare Theke mit Vordach, sondern im Handschuhfach sogar eine eingebaute Kasse, wie man im Citroën-Archiv nachlesen kann. Der Citroën HY ist das häufigste Modell des Citroën Typ H und wurde meist als Typbezeichnung für alle Varianten (H, HY, HX, HW, HZ und 1600) verwendet. Den HY gab es auch in einer Variante mit Ambulanzaufbau des Karrosseriebauers Currus und hydropneumatischer Hinterachse.

Auf den ersten Blick ein Bild von Romantik

Während Experten den technischen Weitblick der Franzosen loben, schwelgen die Fans in der Erinnerung. Denn man muss den Typ H nur anschauen, dann kommen einem Bilder von provenzalischen Wochenmärkten, bretonischen Campingplätzen und atlantischen Strandpromenaden in den Sinn.

Mit der Romantik ist es allerdings schnell vorbei, wenn man zum ersten Mal durch die bis 1968 gegenläufig angeschlagene Tür klettert und sich hinter das spindeldürre Lenkrad schwingt. Nicht nur, dass die Fahrleistungen des 1,6-Liters mit seinen bis 1963 nur 29 kW/40 PS gemütlich sind und man schon kräftig mit den drei Gängen arbeiten muss, wenn man den Typ H mal auf Tempo 100 bringen will. Bei Passfahrten in den Alpen wird den folgenden Fahrern einiges an Geduld abverlangt. Meist bleibt man im ersten Gang und damit unter 30 km/h. Und zu allem Übel dringt aus dem Kasten zwischen den Sitzen, unter denen sich der Vierzylinder redlich Mühe gibt, schon nach wenigen Minuten eine mächtige Hitze und der muffige Duft von heißem Öl.

Auch das ist ein Grund, weshalb der Typ H mittlerweile selten geworden ist, sagt Citroën-Experte Joest. Obwohl in einer ungewöhnlich langen Bauzeit von 33 Jahren bis 1981 immerhin knapp 500 000 Exemplare vom Band liefen, spielt der Kastenwagen auch in der Oldtimerszene nur eine Nebenrolle, heißt es in der deutschen Citroën-Zentrale in Köln. Und dass der Typ H mit seinem hohen Aufbau in keine Normgarage passt, sondern nur in Gewerbehallen vor dem Zahn der Zeit geschützt werden kann, macht die Sache auch nicht leichter.

Dabei hält der Experte zumindest die Antriebstechnik für ziemlich unverwüstlich und für leicht zu reparieren. Selbst die Ersatzteilversorgung sei nicht schlecht, Spezialisten in Holland beispielsweise sei Dank. Aber auch wenn der Typ H als Oldtimer eine Rarität ist, hat er sich aus dem Alltag noch nicht ganz verabschiedet. Im Gegenteil: Gelegentlich sieht man modernisierte Umbauten der rollenden Wellblechgarage als Foodtruck auf Festivals und Märkten.

Citroën-Fans sehen das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Zum einen freuen sie sich, weil der Typ H damit im Straßenbild bleibt und selbst 70 Jahre nach seiner Premiere noch immer seine Wandlungsfähigkeit beweisen kann. Aber zum anderen ist jeder Foodtruck für die Sammler verloren, weil er nach dem neuzeitlichen Umbau keinen historischen Wert mehr hat. Abhilfe für dieses Dilemma kommt womöglich aus Italien. Dort haben in diesem Jahr ein Designer und ein Karosseriebauer einen GFK-Anbausatz vorgestellt, mit dem man den Typ-H-Nachfolger Jumper optisch zur Wellblechgarage ummodeln kann. Allerdings hat diese Zeitreise auch ihren Preis: Denn schon ohne das Grundfahrzeug kostet das Bodykit für über 10.000 Euro deutlich mehr als das Original. (dpa)