„Lebensbilder“ als Mosaiksteinchen

Heinz Warny, Redakteur und dann Chefredakteur des GrenzEcho, hat mit „Lebensbilder aus Ostbelgien“ ein neues Buch veröffentlicht. | David Hagemann

Auf jeweils zwei Buchseiten werden die Porträts angeboten, wobei es sich dabei nicht um lückenlose Lebensläufe handelt, sondern eher um Schlaglichter. Passend zum 90. Geburtstag des GrenzEcho in diesem Jahr sind es 90 Beiträge – von A (wie Henri Ackens) bis Z (wie Hugo Zimmermann).

„Zunächst hatte ich an einen umfassenderen Band mit deutlich mehr Personen gedacht. Das war aber nicht sinnvoll, denn ein solches Buch wäre wohl erst nach mehrjähriger Arbeit zustandegekommen, wenn überhaupt. Das Modell der kurz gefassten Einzelbiografien, die nur das weiterreichen, was zu Leben und Wirken als prägend festgehalten werden kann, besteht in der Form von gut lesbaren Lebensbildern, wie sie von deutschen Verlagen schon lange verlegt werden“, erzählt Heinz Warny dem GrenzEcho.

Er hat die meisten Porträts selber verfasst und griff dabei in erster Linie auf Texte aus früheren Zeitungsveröffentlichungen zurück. Der ehemalige GrenzEcho-Kollege Heinz Godesar steuerte Beiträge von Eupener Familien bei, die für Wirtschaft, Kunst und gesellschaftliches Geschehen bleibende Zeugnisse hinterlassen haben.

Rudolf Kremer, Harald Kurth und Freddy Derwahl verfassten ebenfalls Texte für die Publikation. „Weil das Buch zum 90-jährigen Bestehen des GrenzEcho erscheinen sollte, habe ich dem Buchverlag diese Zahl auch für jene der Lebensbilder vorgeschlagen. Mit dem Vermerk ‚Band 1‘ ist gleichzeitig schon angedeutet, dass ein zweiter angedacht ist“, so Heinz Warny.

Vorarbeit für eine Auswahl der Personen hatte er bereits im Rahmen der GE-Artikelserie „Damals“ geleistet, die regelmäßig in der Zeitung erschienen war. Aus „Damals“ sind nun „Lebensbilder“ geworden – ergänzt um viele Personen, die noch nicht in der Printausgabe in Erinnerung gerufen worden waren. „Es galt, für das Buch möglichst viele Personen zu erfassen, die beim Blick zurück auf Ostbelgien – mit den wallonischen Malmedyer Gemeinden – für Wegmarkierungen gesorgt haben.“

Das beginne bei Politik und Verwaltung mit etwa Herman Baltia oder Pierre van Werveke, weil Politiker wohl länger im Zeitgeschehen in Erinnerung blieben. „Im kleinen Kreis von Autoren haben wir dann einen möglichst weiten Bogen gespannt, um mit Parlamentariern und Politikern, die sich weniger mühten, um in der Öffentlichkeit zu glänzen – wie Richard Pontzen, Karl Weiss, Michel Freres, Christian Esser und noch andere – den Bogen zu Kulturschaffenden zu spannen, zu Künstlern und Schriftstellern, Heimatforschern und auch jenen, die schon lange vor 1920 für Wirtschaft und Industrie die Vorleistungen für das Wohlergehen in der Heimat geliefert haben.“ Carl Bourseaux, Wilhelm Peters und Gert Noël sind dafür gute Beispiele.

Die „Lebensbilder“ seien in engem Zusammenhang mit dem GrenzEcho einzuordnen, betont der Autor: „Deshalb sind viele Erinnerungen an Geschehnissen festgemacht, die in der Zeitung seit deren Gründung im Jahr 1927 festgehalten sind oder in deren Archiven. Als Beispiel verweise ich auf die Papier- und Lederindustrie in Malmedy, auf die Tuchmacher in Eupen. Da können Zeitungsbände mit Berichten zu Eröffnungen, Jubiläen, aber auch Schließungen wichtige Daten und Fakten liefern.“ Bei zwei Seiten Text für jeden Namen sei wichtig gewesen, Wesentliches in Kurzform festzuhalten. Beim Lesen könnten sich deshalb auch Wege andeuten, um in früheren Veröffentlichungen weitere Informationen zu suchen.

Gibt es Parallelen zwischen den beschriebenen Personen? „Als Verbindendes gilt, in der wechselvollen Geschichte Ostbelgiens für dieses Gebiet und dessen Bevölkerung Bleibendes geschaffen oder Entwicklungen gefördert zu haben. Interessant ist dabei etwa der mutige Einsatz von Priestern der Malmedyer Wallonie für den Fortbestand der wallonischen Eigenheiten im 19. Jahrhundert. Nicolas Pietkin, Joseph Bastin seien hier genannt.“ Doch lieferten die Priester deutliche Parallelen mit ihrem „offenen oder versteckten Einsatz“ für die Heimat. „Dies trifft auch für andere Lebensbereiche zu, die in Vielfalt mit den porträtierten Personen erfasst werden“, erläutert Heinz Warny.

Aufgefallen sei ihm bei der Recherche, dass wohl alle Protagonisten einen oder viele Steine zu dem herbeigebracht haben, was die Heimat in der Geschichte mit mehrfachem Wechsel der Staatsangehörigkeit als feste Wegmarkierungen aufzuweisen habe. Dabei werde auch die wichtige Verzahnung mit Leistungen deutlich, die im früheren Eupen-Malmedy erbracht worden sind, als sich Ostbelgien noch nicht auf die deutschsprachigen Gemeinden begrenzte. Für Überraschungen dürfte auch bei den Lesern das Doppelleben des umtriebigen Agenten Christian Sand sorgen. Es sei nur noch wenig über seine gewagten Kontakte von Malmedy aus nach Berlin und Brüssel bekannt. Gestaunt habe er auch über den Weg der Familie von Frühbuss von Oberschlesien über Malmedy nach Wallerode. „Ich hoffe, dass das Buch den Lesern jeweils einen kleinen Mehrwert bieten kann. Wir haben im Verlag auch viel Wert darauf gelegt, dass ein Gesamtbild für ganz Ostbelgien entsteht.“ Einige der behandelten Personen hat Heinz Warny selbst kennen- und schätzengelernt: Kurt Grünebaum und seine Frau Alice Freudenberger, Professor Bernhard Willems, Willy Mommer, Hubert Jenniges, Willy Schyns, Willy Timmermann oder Walter Schomus, um nur einige zu nennen. „Ich kann niemanden nennen, der mich nun am meisten beeindruckt hätte. Doch das Leben von Dr. Otto Eugen Mayer und die mit Geduld und Würde ertragenen Schicksalsschläge von Horst Naftaniel beeindrucken wohl jeden nachhaltig.“

Heinz Warny: Lebensbilder aus Ostbelgien, 208 Seiten, erschienen im Grenz-Echo-Verlag, Eupen 2017, ISBN: 978-3-86712-131-6

Frühere Veröffentlichungen von Heinz Warny: „Zwei Jahrhunderte deutschsprachige Zeitung in Belgien“ (2007), „kg Brüssel“ (2011), „Belgiens wiedergefundene Brüder“ (2012), „Henri Michel“ (2015)