GE-Interview mit Indierock-Ikone Kim Deal



The Breeders brachten zu Beginn des Jahres ihr neues Album „All Nerve“ auf den Markt. Neben der Kultplatte „Last Splash“ (1993) bildet das neue Werk das Herz des aktuellen Showprogramms. Wir unterhielten uns vorab mit Sängerin/Gitarristin Kim Deal über Brüssel, ihren Status als Indierock-Ikone und ihre an Alzheimer erkrankte Mutter.

The Breeders spielen am Donnerstag in Brüssel. Nutzen Sie die Zeit vor Konzerten, um eine Stadt kennenzulernen? Was wissen Sie über Brüssel? Es ist ja nicht Ihr erstes Konzert dort.

Ich liebe die Architektur der Stadt. Ich liebe es, durch die Straßen zu schlendern. Ich habe so etwas vorher noch nie gesehen. Das gibt es einfach nicht in den USA. Es ist einfach wundervoll.

Sie spielen bei Ihrer Show sehr viele Songs von „Last Splash“. Ist das Ihr Lieblingsalbum der Breeders?

Es ist das Album, das jeder kennt. Wenn ich Bands schauen gehe, möchte ich, dass sie die Songs spielen, die ich mag. Es ist mir egal, welche Songs, die Band gerne hat. Ich will meine Songs hören. Ich weiß, dass viele Fans „Last Splash“ mögen und es bereitet mir Freude, die Songs für sie zu spielen. Wir spielen aber auch viele Songs vom neuen Album. Fans mögen ebenfalls das Album „Pod“, von dem wir auch spielen.

Sie sprechen das neue Album „All Nerve“ an. Was war Ihre Hauptmotivation, mit diesem Album Ihr Studiocomeback zu feiern?

Es gibt mehrere Gründe. Ich spiele Gitarre, seitdem ich 13 Jahre alt bin. Ich habe mein ganzes Leben lang Musik gemacht. Ich habe an vielen Projekten mitgewirkt: Pixies, The Amps beispielsweise. Es gibt Alben, die die Breeders herausgebracht haben, die keiner kennt. Ich habe auch Soloarbeiten veröffentlicht. Die Hauptmotivation ist die Tatsache, dass ich gerne Musik mache. Dass es ein Breeders-Album geworden ist, hat folgenden Grund: Ich saß 2012 bei Kelley (ihre Zwillingsschwester und Bandmitglied der Breeders, A.d.R.) auf der Couch. Und sie sagte zu mir: „Nächstes Jahr wird das Album ‚Last Splash‘ 20 Jahre alt. Wir müssen uns wieder mit Jo (Josephine Wiggs/Bass, A.d.R.) und Jim (Macpherson/Drums, A.d.R.) zusammensetzen und einige Auftritte geben. Wir haben sie angerufen, und sie waren begeistert. 4AD (die Plattenfirma, A.d.R.) hat uns vorgeschlagen, eine Box zu diesem Anlass zusammenzustellen. Das war fantastisch. Wir haben dann die „Last Splash“-Auftritte gegeben, und mit und mit neue Songs dem Programm hinzugefügt. Das neue Material wurde sehr gut aufgenommen. Und so entstand die Idee, neue Songs zu machen und ein neues Album aufzunehmen.

Über den Titelsong „All Nerve“ wird sehr viel spekuliert. Thematisieren Sie da Ihre ehemalige Drogenabhängigkeit?

Wird das erzählt? Ich habe in meinem Leben Drogen genommen. Ich war betrunken und dachte, ich wäre eine tolle Gitarristin. Man kann betrunken aber nicht gut Gitarre spielen. Das ist physikalisch zu erklären. Der Song „Howl at the summit“ auf dem Album handelt dagegen wohl von Drogen. Ich habe ihn geschrieben, als ich seinerzeit noch halluzinogene Pilze konsumierte. In diesem Song fühle ich mich wie ein Monster. Ich dachte zu diesem Zeitpunkt, dass ich tolle Musik mache. Der Song ist in der gleichen Zeit wie „All Nerve“ entstanden. Vielleicht denken deswegen einige Leute, dass „All Nerve“ mit Drogen zu tun hat.

Viele Personen sehen in Ihnen eine Indierock-Ikone. Macht Sie das stolz?

Das finde ich toll, klar. Es interessiert mich aber nicht so sehr, da ich noch lebe. Ich finde es schön, dass Leute sich von meiner Musik angesprochen fühlen. Ich habe auch viele Musiker, die ich gerne mag.

Wen meinen Sie?

Lassen Sie mich mal überlegen. Es ist schwer zu sagen. Ich weiß nicht, ob das unbedingt Ikonen sind. Wie definiert man das? Es ist etwas Sonderbares, so etwas wie ein Platz auf einer Landkarte. Für mich ist Grace Jones eine Ikone. Sie ist wirklich cool. Ich kenne mich aber nicht mit ihrer Musik aus. Als Musiker mag ich beispielsweise die Carter Family oder den Song „180 dB‘s“, den die Savages mit Meredith Graves und Nick Zinner aufgenommen haben.

Beeinflussen diese Personen Ihre Musik?

Sie beeinflussen meine Person, aber nicht meine Musik. Der Einfluss ist nicht direkt. Wenn ich etwas höre, will ich das Gehörte nicht eins zu eins kopieren. Wenn Sie etwas Interessantes gelesen haben, wollen Sie das ja auch nicht kopieren.

Sie spielen in Ihrem Programm den Song „Gigantic“ von den Pixies. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie das Lied singen? Denken Sie an die Zeit mit den Pixies (die Zusammenarbeit wurde nach Streitigkeiten 2013 beendet, A.d.R.) zurück?

Woran ich denke, wenn ich „Gigantic“ singe, ist unterschiedlich. Zuletzt habe ich sehr oft an meine Mutter gedacht. Sie hat Alzheimer in einem weit fortgeschrittenen Stadium. Sie lebt noch zu Hause. Die letzte normale Unterhaltung mit ihr ist sieben Jahre her. Sie liebte diesen Song. Und deswegen liebe ich es auch, diesen Song zu singen.

Sie denken also nicht an die Pixies?

Nein, eigentlich nicht. Ich denke nicht an den damaligen Geist der Pixies zurück, wenn ich „Gigantic“ singe. Ich denke eher an den Rhythmus des Songs, an den Auftritt als solchen.

Haben Sie noch Kontakt zu den Pixies?

Nein. Mein letzter Kontakt war 2013.

Die Pixies ohne Kim Deal sind nicht die Pixies. Einverstanden?

Das sagen einige. Andere aber nicht. Sie machen weiter ihre Musik, und das ist gut so.

Die Breeders spielen am Donnerstag im Brüsseler Saal „La Madeleine“. Es gibt noch Karten im Vorverkauf (32,70 Euro) auf www.la-madeleine.be.