Aus für die „Lindenstraße“

Die Schauspieler Ludwig Haas (Dr. Dressler, vorne Mitte), Amorn Surangkanjanajai (Gung Pham Kien, hinten l-r), Georg Uecker (Carsten Flöter) und Alexa Maria Surholt (Sarah Marquardt) bei einem Fototermin zur Fernsehserie „Lindenstraße“. Die Fernsehserie „Lindenstraße“ wird nach 34 Jahren beendet. | Henning Kaiser/dpa

Die letzte Folge wird im März 2020 über den Bildschirm gehen, nach mehr als 34 Jahren. Produzent Hans W. Geißendörfer (87) und seine Tochter und Nachfolgerin Hana (34) reagierten verärgert: „Wir sind bestürzt und können nur unser Unverständnis zum Ausdruck bringen.“

Gerüchte über das bevorstehende Aus hatte es schon seit Jahren gegeben, aber am Ende war der Produktionsvertrag doch immer wieder verlängert worden. Schließlich ist die „Lindenstraße“ eine „Ikone im deutschen Fernsehen“, wie es Volker Herres, der Programmdirektor für das Erste, ausdrückt. Als die Serie am 8. Dezember 1985 begann, war Helmut Kohl gerade mal drei Jahre Kanzler, im Osten saß Erich Honecker fest im Sattel. Und in der „Lindenstraße“? Da musizierte Familie Beimer bei Kaffee und Kuchen zum 1. Advent. „Hör’n wir jetzt auf?“, waren die ersten Worte der Serie aus dem Munde von Benni Beimer (Christian Kahrmann). Worauf Vater Hans entgegnete: „Wir haben ja gerade erst angefangen!“ Prophetische Worte.

Dabei wurde die Serie anfangs scharf kritisiert. Auch der WDR selbst räumte Anlaufschwierigkeiten ein, sie gehe zu langsam voran. Geißendörfer war anderer Meinung: „Die Serie spielt im normalen Lebensrhythmus. Wenn Hans Beimer eines Tages Amok laufen sollte, dann kann man die Zuschauer sechs, acht Jahre darauf vorbereiten.“

Die Lindenstraße fungierte fortan als Spiegel bundesrepublikanischer Sitten- und Sozialgeschichte. Die Traum-Ehe von Helga und Hans Beimer ging in die Brüche, nachdem er seine „Taube“ für Nachbarin Anna verlassen hatte. Der Schreiner Benno Zimmermann starb an Aids. 1990 wurde erstmals in einer deutschen Serie gezeigt, wie sich zwei schwule Männer küssen. Drogenhandel, Alkoholismus, Spielsucht, Selbstmord und sogar ein getötetes Kaninchen – verglichen mit den „Wicherts von nebenan“ oder dem ZDF-“Landarzt“ war in der Lindenstraße die Hölle los.

Und nun doch das Ende – wie konnte das geschehen? Es hat eben auch mit der Geschichte der Bundesrepublik zu tun. Als die „Lindenstraße“ startete, hatten die Öffentlich-Rechtlichen gerade erst Konkurrenz bekommen, RTL war noch ganz jung. Damals, in den 80ern, sahen im Schnitt zwölf Millionen Menschen zu. Zum Schluss waren es nur noch gut zwei Millionen.

Immerhin, ein gutes Jahr wird die deutsche Serie noch weitergehen, so lange läuft der aktuelle Produktionsvertrag. Und dann ist es natürlich so: Erst wenn eine Serie Geschichte ist, wird sie wirklich zum Kult. (dpa)