Denis Jansens "Auswärtsfahrt": Als Belgier in Mailand unterwegs

Denis Jansen aus Kettenis bloggt für uns während der Europameisterschaft täglich über die Stimmung vor Ort – sei es in Frankreich, Italien oder der Schweiz.

Fünf Tage ist es her, dass unsere Belgier in Lyon gegen starke, effektive Italiener das EM-Auftaktspiel mit 0:2 verloren haben. Fünf Tage, in denen Coach Wilmots und die Mannschaft harte Kritik einstecken mussten. Einige Entscheidungen waren sicherlich unglücklich getroffen, einige Spieler zeigten nicht ihr gewohntes Level. Aber die Mannschaft zeigte am Samstag die richtige Antwort auf dem Platz. Ich war in Mailand dabei – und das mit neun anderen Belgiern.

Als ich am Samstagmorgen mit Trikot und Fahne aus meinem Hostel in die Stadt gegangen bin, wusste ich noch nicht, was mich erwartet. Wie werden unsere Teufel spielen? Eine Niederlage könnte vielleicht sogar schon das EM-Aus bedeuten. „Nein, sie werden gewinnen!“, sagte ich mir, um kurz darauf wieder zu zweifeln. Nicht, weil ich Angst vor einer Niederlage hatte, sondern weil ich bei Fußballspielen meiner Teams grundsätzlich pessimistisch und sachlich an das Spiel herangehe. Zudem fragte ich mich, ob ich andere Belgier in der Fanzone treffen würde.

Während ich ein wenig durch die Straßen schlenderte und ein klassisches altes italienisches Café fand, wurde ich immer wieder beäugt. Teilweise wurde ich sogar als Deutscher identifiziert, was ich rasch korrigierte. Etwas Ähnliches ist mir vor zwei Jahren bei der Weltmeisterschaft passiert, als mir ein Passant in Essen, meinem derzeitigen Studienort, zurief: „Hey, du hast die falsche deutsche Fahne auf dem Rücken!“

In diesem alten italienischen Café dann das erste lustige, humorvolle und freundschaftliche Aufeinandertreffen mit einem Italiener, dem Inhaber namens Renato. Er sah mich sofort mit meiner belgischen Montur und begrüßte mich euphorisch mit den Worten: „Belgium, equipo grande! Italia 2:0!“. So klang es zumindest für mich. Ich verstand ihn zuerst überhaupt nicht. Zum Glück konnten meine zwei Begleiterinnen, die 48-jährige Kierstin und die 23-jährige Courtney, die ich im Hostel kennengelernt habe, übersetzen. Ich bekam einen Campari von ihm in die Hand gedrückt und wir einigten uns darauf, dass wir uns im Finale wiedersehen. Natürlich dieses Mal mit einem anderen Ausgang! Er antwortete nur: „No, no, no!“

Mir war klar, dass ich auffallen würde, aber viele Leute begrüßten mich sehr herzlich. Ich war willkommen. „Wäre es anders gewesen, wenn wir gewonnen hätten?“. Die Schadenfreude hielt sich in Grenzen, bis ich auf eine kleine Gruppe Jugendlicher stieß, die mir ebenfalls sofort zuriefen: „Italia, 2:0!“ Weiter verstand ich nur „Hazard“, „Mertens“ und „Nainggolan“. Sogar irische Fans traf ich auf dem Weg zum Public Viewing. Die sahen allerdings nicht so aus, als ob sie sich viele Freunde mit ihrem Verhalten machen würden. Wir wünschten uns ein gutes Spiel und ich ging erneut zum Piazza Maggiore.

Auf dem Weg dorthin sprachen mich zwei Frauen meines Alters an und fragten, ob ich Französisch spreche. Ich bejahte dies und so kam ich ins Gespräch mit Nele und Juno aus Gent. Wir setzten uns ans Wasser und schauten gebannt auf den Bildschirm. Die Teufel versuchten, kamen zu vereinzelten Chancen. Ich wünschte ihnen in jeder Situation dieses eine erlösende Tor. Halbzeit.

Auf einmal merkten wir, wie hinter uns einige Leute Französisch sprachen. Noch mehr Belgier! Aus Tournai, Hasselt, Lüttich, Brüssel. Ganz nach unserem Motto „Tous ensemble“ saßen wir zusammen, tranken Bier und sprachen über das Spiel, die Mannschaft und so vieles mehr. Und dann: vier Minuten nach Anpfiff… Lukakuuuuuu! JAAAAA! Wir sprangen auf, jubelten entlang des Flusses und lagen uns in den Armen. Aus Spaß schwor sich Juno, dass sie bei einem 3:0-Sieg in den Fluss springen würde. Ihr wisst, wie es endete. Sie hat dann aber doch gekniffen. Wir tranken ein letztes Bier zusammen, verabredeten uns zum Feiern gehen und gingen dann in verschiedene Richtungen. Mittlerweile sind wir auf dem Weg in Richtung Club. Getreu dem Motto: „Tous ensemble“.